THE RETROSIC – God Of Hell 
 
Label: Tribune Records
Release: 22.04.2004
Von: Psycho
Punkte: 9,5
Time: 57:18
Stil: EBM
URL: The Retrosic
 

Mit diesem Album dürften sich THE RETROSIC endgültig an die Spitze der deutschen Electro-Szene gesetzt und wirklich jedem klar gemacht haben, wer in der nächsten Zeit die Wochenenden in den Tanzpalästen regiert. God Of Hell enthält fast ausschließlich potentielle Hits und Tanzflächenfüller, bleibt dabei ausreichend abwechslungsreich für den anspruchsvollen Hörer und doch eingängig genug für die Masse, überzeugt mit einer fast über das gesamte Album anhaltenden beklemmenden Atmosphäre und ist mit Abstand die perfekteste EBM-CD, die ich seit langem gehört habe.
Los geht’s mit The Storm, welches eigentlich eher im Midtempo beheimatet ist, aber trotzdem sehr treibend ausgefallen ist und gelegentlich durch ruhigere Breaks angereichert wird. Natürlich fallen auch hier, wie bereits bei früheren THE RETROSIC Songs, durchaus Parallelen zu alten :Wumpscut:-Zeiten auf, aber inzwischen ist der Stil doch etwas eigenständiger geworden, und bei so einem dermaßen hohen Niveau kann man einfach nicht mehr von Plagiat sprechen. Maneater ist dann beinharter Electro, düster, voranpeitschend, unentrinnbar. Selbst Bewegungslegastheniker wie ich geraten dabei ins Zucken! New World Order ist offener angelegt, nimmt den Hörer aber in die Mitte und dann plötzlich nicht wieder los, vor allem der Refrain ist unglaublich zupackend und hypnotisch. Das folgende Tale Of Woe ist wieder etwas langsamer und baut im weiteren Verlauf eine extrem dunkle Stimmung auf, während der fünfte Track Dragonfire mit fiesen Melodien und treibenden Beats erneut düsteres, hartes Electro-Futter bietet.
Wem es bis jetzt noch nicht genügend Abwechslung gab, der wird von Elysium sicherlich besonders überrascht sein: ein von aufwändigen Percussion- und Schlaginstrumenten-Arrangements geprägtes Stück mit sehr schönem weiblichen Gesang, welches mit seiner orientalischen Atmosphäre fast schon an Dead Can Dance erinnert. Definitiv eines der Highlights auf God Of Hell!
Total War bietet dann wieder harten, tanzbaren Stoff, allerdings folgt dann das einzige schwächere Stück der CD. Auch bei den anderen Stücken erfinden THE RETROSIC den EBM nicht neu, aber die einzelnen Versatzstücke sind einfach perfekt miteinander kombiniert und abgestimmt, wodurch man sich der beabsichtigten Wirkung nur schwer entziehen kann. Bei Antichrist funktioniert diese Mischung aber nicht so recht; was auf anderen Veröffentlichungen zu den besseren Songs gehören würde, ist hier im direkten Vergleich nur Durchschnitt. Das Instrumental Sphere ist hingegen wieder ein gelungener Track und besticht durch die schöne Atmosphäre und das EBM-untypische Schlagzeug. Mit dem nach SciFi-Soundtrack klingenden Outro Tears In Rain wird dann God Of Hell offiziell beendet, allerdings befindet sich zumindest auf meinem DigiPack noch ein kurzer Hidden Track ohne Bezeichnung, der aber eher als Soundcollage denn als richtiges Stück durchgeht.
Weiterhin findet sich in dem Digi noch eine Bonus-CD, betitelt als Servant Of Hell. Diese enthält vier alternative Versionen einiger Album-Tracks sowie mit Passion einen weiteren, bisher unveröffentlichten Song. Tale Of Woe ist hier wesentlich ruhiger und hat eine Art Mittelalter-Touch verpasst bekommen, Maneater liegt quasi in der Maxi-Version vor, Elysium kann auch als reines Instrumental überzeugen, während The Storm mit dem weiblichen, an die klassische Oper angelehnten Gesang zwar durchaus interessant klingt, aber gegenüber dem Original doch etwas verliert. Passion schließlich entpuppt sich als sehr düsteres und nur spärlich instrumentalisiertes Stück von lediglich zwei Minuten Länge und ist ebenfalls mit dem weiblichen Operngesang versehen. Ganz nett, aber als Kaufanreiz sicherlich zu schwach, was man aber nicht von dem noch zusätzlich mitgelieferten Video zu The Storm sagen kann, welches visuell wirklich gut umgesetzt wurde.
Insgesamt gesehen haben THE RETROSIC mit diesem Album ganz klar die Referenz für die nächste Zeit, vielleicht sogar für die nächsten Jahre im härteren Electro-Geschehen vorgelegt. Wer auf diese Art von Musik steht, der wird God Of Hell nur schwerlich ignorieren können. Bei mir schrammen die Bayern jedenfalls nur denkbar knapp an der Höchstnote vorbei.