QNTAL’s
fünftes Album Silver Swan ist
musikalisch gesehen ein Wanderer zwischen den Welten. Einerseits
gibt es Lieder, die in der altbekannten mittelalterlich-archaischen
virtuosen Weise intoniert werden, Syrahs gefälligen Gesang
kongenial rhythmisch und instrumental untermauernd - andererseits
aber auch Stücke von so sphärischem, unwirklich schönem
Charakter, voller ruhiger, sanfter Tonmalerei auf epischen synthetischen
Klangteppichen, dass man sich beim Hören nach und nach
aus dem geschäftigen Alltag heraus und mühelos in
traumwandlerische Sphären hinweg tragen lässt.
Grazil und anmutig sind die Melodien, eben wie (mit Blick auf
den Albumtitel) die Schwäne auf dem Wasser. Am eindrucksvollsten
musikalisch umgesetzt findet man dieses Bild im an letzter Stelle
des Albums stehenden Titeltrack Silver Swan. Es handelt
sich um ein englisches Madrigal im Spätstil (Anfang des
17. Jahrhunderts, komponiert von Orlando Gibbons) mit langer
Sinfonia an Anfang und Schluß in Gestalt eines schwebenden
Klangteppichs epischen Charakters, mit großen Gesten in
sanftem Legato. Die beiden Gesangsteile (Syrahs Stimme erinnert
übrigens hier sehr an Enya), eingewoben in den Klangteppich,
umrahmen klassisch das Ritornell im Mittelteil.
Ähnlich ruhig sind die Lieder Falling Star, Von
Den Elben und Winter. Das englische Lied Falling
Star lebt ganz von Syrahs Stimme, die Begleitung akzentuiert
nur hier und da durch Streicher oder mystisch anmutende Samples
und besteht überwiegend aus flächigen synthetischen
Klanggebilden. Gegen Ende wird die Stimme durch Hall und Echo
gedoppelt und spätestens hier hat das Lied den Charme eines
sommernächtlichen Sternschnuppenschauers. Von Den Elben
ist auf mittelhochdeutsch und erzählt offenbar eine traurige
Geschichte, es ist mit sechs Minuten das längste Stück
des Albums. Unterbrochen immer wieder durch pathetische Instrumentalinterludien,
in denen nicht die alten Instrumente den Hauptanteil haben (die
setzen nur die Akzente), sondern die synthetischen Tonmalereien.
Ein bisschen wie Filmmusik. Winter ist sehr viel getragener
und schlichter gehalten. Gesungen wird wieder mittelhochdeutsch,
begleitet von Klavier, Flöte und mystisch anmutenden elektronischen
Spielereien mit Samples. Meditationsmusik.
Lebhafter und weitaus erdverbundener sind die Lieder Lingua
Mendax, 292 und The Whyle. Sie sind allesamt
tänzerischen Charakters, bestechen durch einen mitreißenden
Rhythmus - aber vor allem stehen hier eher die alten Instrumente
im Vordergrund, wodurch der archaisch-mittelaltermusikalische
Gegenpol den meditativen, von synthetischer Soundtüftelei
durchsetzten Tracks entgegentritt.
Irgendwo zwischen diesen beiden Polen pendeln die Lieder Monsieur’s
Departure, Levis, Altas Undaz und Amis
Raynaut. Monsieur’s Departure ist nicht
wie erwartet französisch, sondern englisch und mit diesem
Lied beginnt das Album. Einem kurzen Intro folgen gefällige
Strophen mit eingängiger Melodie, begleitet von einem archaischen
Instrumentarium, unterbrochen durch ein Zwischenspiel mit lautmalerischem
Gesang. Levis ist lateinisch, über einer Begleitung,
die von einem das ganze Stück gleich bleibenden Rhythmus
dominiert wird, gelegentlich setzen Streicher oder auch mal
Flöten und Zupfinstrumente ein, alles unterlegt von einem
synthetischen Bordun. Der Gesang ist sehr pronounciert und völlig
auf den Rhythmus abgestimmt. In Altas Undaz werden
die Strophen leidenschaftlich, mitunter mit kleinen orientalisch
anmutenden Melismen vorgetragen, der Refrain ist zweistimmig
und hat tänzerischen Charakter. Amis Raynaut ist
altfranzösisch, beginnt mit etwas ungewöhnlich verzerrtem
Gesang, der bald klar und schließlich von einer Rhythmusgruppe
begleitet wird. Auch dieses Lied wird vom Gesang dominiert.
Lediglich in den Instrumentalparts treten Zupfinstrumente in
den Vordergrund, die die Melodie virtuos umspielen.
Etwas weniger vordergründig
an den archaischen Weisen der Mittelaltermusik angelehnt dringen
der Multiinstrumentalist Michael Popp, Sigrid Hausen (Syrah)
und Philipp Groth (verantwortlich für die synthetischen
Klangtüfteleien) mit Silver Swan
in andere Sphären (und dieses Wort trifft es wirklich
im Kern) vor, denn manch ein Stück auf diesem Album mutet
an wie nicht von dieser Welt. Sehr ruhig, meditativ und von
Klangteppichen umwogt träumt man sich jenseits des Alltags,
nur, um sich im nächsten Moment wieder von beschwingt
tänzerischen Melodien auf die Erde zurückholen zu
lassen. Ein wirklich schönes Album. Nichts ist sperrig,
alles fließt. Meine persönlichen Favoriten sind
The Whyle, Silver Swan und Falling Star.
Zu erwähnen
bliebe nun noch, dass dieses Album in einer Limited Edition
erscheinen wird (Digipack in Größe einer DVD),
ausgestattet mit einem 32seitigen Booklet, kongenial illustriert
von Brian Froud (Designer in Filmen wie „Labyrinth“
und „Der dunkle Kristall“) und einer Bonus-CD
mit Videoclip und Bildergalerie.
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