QNTAL – Silver Swan

 
Label: Drakkar
Release: 25.08.2006
Von: Semiramis
Punkte: 9.5/10
Time: 53:15
Stil: Mittelalter/Electro
URL: Qntal
 
QNTAL’s fünftes Album Silver Swan ist musikalisch gesehen ein Wanderer zwischen den Welten. Einerseits gibt es Lieder, die in der altbekannten mittelalterlich-archaischen virtuosen Weise intoniert werden, Syrahs gefälligen Gesang kongenial rhythmisch und instrumental untermauernd - andererseits aber auch Stücke von so sphärischem, unwirklich schönem Charakter, voller ruhiger, sanfter Tonmalerei auf epischen synthetischen Klangteppichen, dass man sich beim Hören nach und nach aus dem geschäftigen Alltag heraus und mühelos in traumwandlerische Sphären hinweg tragen lässt.
Grazil und anmutig sind die Melodien, eben wie (mit Blick auf den Albumtitel) die Schwäne auf dem Wasser. Am eindrucksvollsten musikalisch umgesetzt findet man dieses Bild im an letzter Stelle des Albums stehenden Titeltrack Silver Swan. Es handelt sich um ein englisches Madrigal im Spätstil (Anfang des 17. Jahrhunderts, komponiert von Orlando Gibbons) mit langer Sinfonia an Anfang und Schluß in Gestalt eines schwebenden Klangteppichs epischen Charakters, mit großen Gesten in sanftem Legato. Die beiden Gesangsteile (Syrahs Stimme erinnert übrigens hier sehr an Enya), eingewoben in den Klangteppich, umrahmen klassisch das Ritornell im Mittelteil.
Ähnlich ruhig sind die Lieder Falling Star, Von Den Elben und Winter. Das englische Lied Falling Star lebt ganz von Syrahs Stimme, die Begleitung akzentuiert nur hier und da durch Streicher oder mystisch anmutende Samples und besteht überwiegend aus flächigen synthetischen Klanggebilden. Gegen Ende wird die Stimme durch Hall und Echo gedoppelt und spätestens hier hat das Lied den Charme eines sommernächtlichen Sternschnuppenschauers. Von Den Elben ist auf mittelhochdeutsch und erzählt offenbar eine traurige Geschichte, es ist mit sechs Minuten das längste Stück des Albums. Unterbrochen immer wieder durch pathetische Instrumentalinterludien, in denen nicht die alten Instrumente den Hauptanteil haben (die setzen nur die Akzente), sondern die synthetischen Tonmalereien. Ein bisschen wie Filmmusik. Winter ist sehr viel getragener und schlichter gehalten. Gesungen wird wieder mittelhochdeutsch, begleitet von Klavier, Flöte und mystisch anmutenden elektronischen Spielereien mit Samples. Meditationsmusik.
Lebhafter und weitaus erdverbundener sind die Lieder Lingua Mendax, 292 und The Whyle. Sie sind allesamt tänzerischen Charakters, bestechen durch einen mitreißenden Rhythmus - aber vor allem stehen hier eher die alten Instrumente im Vordergrund, wodurch der archaisch-mittelaltermusikalische Gegenpol den meditativen, von synthetischer Soundtüftelei durchsetzten Tracks entgegentritt.
Irgendwo zwischen diesen beiden Polen pendeln die Lieder Monsieur’s Departure, Levis, Altas Undaz und Amis Raynaut. Monsieur’s Departure ist nicht wie erwartet französisch, sondern englisch und mit diesem Lied beginnt das Album. Einem kurzen Intro folgen gefällige Strophen mit eingängiger Melodie, begleitet von einem archaischen Instrumentarium, unterbrochen durch ein Zwischenspiel mit lautmalerischem Gesang. Levis ist lateinisch, über einer Begleitung, die von einem das ganze Stück gleich bleibenden Rhythmus dominiert wird, gelegentlich setzen Streicher oder auch mal Flöten und Zupfinstrumente ein, alles unterlegt von einem synthetischen Bordun. Der Gesang ist sehr pronounciert und völlig auf den Rhythmus abgestimmt. In Altas Undaz werden die Strophen leidenschaftlich, mitunter mit kleinen orientalisch anmutenden Melismen vorgetragen, der Refrain ist zweistimmig und hat tänzerischen Charakter. Amis Raynaut ist altfranzösisch, beginnt mit etwas ungewöhnlich verzerrtem Gesang, der bald klar und schließlich von einer Rhythmusgruppe begleitet wird. Auch dieses Lied wird vom Gesang dominiert. Lediglich in den Instrumentalparts treten Zupfinstrumente in den Vordergrund, die die Melodie virtuos umspielen.

Etwas weniger vordergründig an den archaischen Weisen der Mittelaltermusik angelehnt dringen der Multiinstrumentalist Michael Popp, Sigrid Hausen (Syrah) und Philipp Groth (verantwortlich für die synthetischen Klangtüfteleien) mit Silver Swan in andere Sphären (und dieses Wort trifft es wirklich im Kern) vor, denn manch ein Stück auf diesem Album mutet an wie nicht von dieser Welt. Sehr ruhig, meditativ und von Klangteppichen umwogt träumt man sich jenseits des Alltags, nur, um sich im nächsten Moment wieder von beschwingt tänzerischen Melodien auf die Erde zurückholen zu lassen. Ein wirklich schönes Album. Nichts ist sperrig, alles fließt. Meine persönlichen Favoriten sind The Whyle, Silver Swan und Falling Star.

Zu erwähnen bliebe nun noch, dass dieses Album in einer Limited Edition erscheinen wird (Digipack in Größe einer DVD), ausgestattet mit einem 32seitigen Booklet, kongenial illustriert von Brian Froud (Designer in Filmen wie „Labyrinth“ und „Der dunkle Kristall“) und einer Bonus-CD mit Videoclip und Bildergalerie.