the.wangacopta:
Welche Erwartungen stellt man an das 10. Studioalbum einer
Band, die in ihrer fast 20-jährigen Bandhistorie mehrfach
mit Platin bestückt wurde? Ganz klar, zum Jubiläumsalbum
muss der Stoff so gestrickt sein, dass er all das bisher gesammelte
Edelmetall mit einem Wurf verdoppelt. Aber Freunde, OOMPH!
wäre nicht die Band die sie heute ist, wenn sie regelmäßig
versucht hätte, es allen und jeden recht zu machen. Im
Gegenteil, allen Erfolg und Angeboten zum Trotz haben sich
die Wolfsburger zurückgezogen, um die prägnantesten
Eigenschaften ihrer Karriere zu bündeln, um das Jubiläumsalbum
auch als ein würdiges solches zu veröffentlichen.
Und das ist OOMPH! mehr als gelungen! Die Scheibe heißt
nicht nur Monster – sie ist es auch. Beim
Ersten Mal Tut’s Immer Weh eröffnet im Beautiful
People Style, EBM-Synthies hämmern in Revolution,
bevor andere Töne im originellen Rock-Tango In Deinen
Hüften oder in der unter die Haut gehenden Piano-/Streicher
Ballade Auf Kurs angeschlagen werden. Zwischen diesen
Extremen glänzen OOMPH! mit ihren typischen Trademarks:
unnachahmlich eingängige Refrains, mächtige Gitarren-Riffs,
tanzbare Beats, geschickte Elektro-Akzente und gefühlvolle
Breaks mit soundtrackartigen Passagen, verfeinert um einen
Schuss Pathos. Der spiegelt sich abermals in den Texten wieder.
Natürlich befasst sich Dero wieder ausgiebig mit seinem
Lieblingsthema, der menschlichen Psyche. Auch die ist gerne
Monster! Geiselnehmer der Marke Kampusch oder
der Inzest Vater von Amstetten werden genauso thematisiert
wie die in fantasievollen Metaphern dargestellte Geburt in
Lass Mich Raus. Absolutes Highlight für mich ist
allerdings die musikalische Inszenierung vom Rotkäppchen-Märchen
in Wer Schön Sein Will Muss Leiden. Die Umsetzung
und die Verbindung zur Neuzeit sind absolut genial! Nicht
nur die Intelligenz, mit der OOMPH! auf ihrem Jubiläumsalbum
brillieren, ist beachtlich. Vielmehr ist es das gesamte Erscheinungsbild
mit all seinen Facetten das auf ganzer Linie zu begeistern
weiß. Einfach ein Monster von einem Album!
Joking:
Was als erstes auffällt am neuen Output OOMPH!s,
ist der blecherne Klang. Da klingen Mittelklasse und high
endige Anlagen völlig übersteuert, teilweise so,
als hätte es die Membranen der Boxen zerfetzt, sobald
der Volumeregler über Zimmerlautstärke gedreht wird.
Wieder so ein überkomprimiertes Produkt, das in erster
Linie für die MP3-Player dieser Welt gedacht ist? Musikalisch
sieht es auf dem zehnten Werk der Wolfsburger Band nicht viel
besser aus. Leichtgängiger Gothic-Rock mit EBM-Anleihen,
dessen Härte nicht wehtut und der melodisch gerne zu
den Charts hinüberlinst. Ein Plätzchen zwischen
Rammstein, Marilyn Manson und LaFee wird sich da bestimmt
finden lassen. Über weite Teile kommt das wie ein Plagiat
daher, wobei man OOMPH! zugute halten kann, dass sie
hauptsächlich bei sich selbst klauen. Von der Masche
her – der klagende Gesang Deros, unterbrochen vom altklugen
Kinderstimmchen –, ist vor allem die Schönheitswahn-Kritik
Wer Schön Sein Will Muss Leiden ein dreister Augen
Auf!-Klon. Das Rammstein OOMPH! als ihre Vorbilder
bezeichneten, hat sich auf Monster eher ins
Gegenteil verkehrt. Neben Wach Auf!, dessen stakkatohafte
Plattitüde wie die Hommage einer mäßig begabten
Cover-Band wirkt, weist Labyrinth, neben Anleihen wiederum
beim eigenen Augen Auf!, einige Ähnlichkeit mit
Rammsteins Links 234 auf, was der Text freilich auch provoziert.
Textlich hat Monster per se einige Höhepunkte
zu bieten – allerdings der unfreiwillig komischen Art.
Sei’s der musikalisch simple, aber halbwegs reizvolle
Geburtsvorbereitungskurs Lass Mich Raus, der in den
unsterblichen Zeilen mündet: „Spreiz die Beine
Mutter“, oder das absolute Highlight „Die Leiter“:
„Die Leiter steht am Horizont, dass du weinst sieht
nur der Mond“ lässt Tränen der Rührung
in die Augen schießen, gemahnt es doch an die Glanzzeiten
deutscher Rockmusiklyrik in den 70-ern, als Novalis (die Band)
noch dichtete „Wer Schmetterlinge lachen hört,
der weiß wie Wolken schmecken“. Es existieren
zwar auch leidlich erträgliche Texte auf dem Album, aber
allzu oft schrammt die Band nur knapp am Abgrund vorbei oder
fliegt mitten hinein; so ist auch der plakative AIDS-Aufklärungstango
In deinen Hüften eher albern als bewegend. Über
mangelnde Abwechslung kann man sich auf Monster
indes nicht beklagen. Selbst Balladeskes findet sich, was
aber nicht gerade zu OOMPH!s Stärken gehört.
Wenn das orchestrale Auf Kurs mehr schlecht als recht
in Achim Reichels Gestaden fischt, bleibt wiederum kein Auge
trocken. Das sich neben leicht ausgefallenen Ideen, wie dem
Einsatz eines Akkordeons, noch jede Menge käsige Synthesizer
und künstliche Bläser finden lassen, vieles bereits
viel zu oft gespielt und gehört wurde, lässt die
knapp 50-minütige Spielzeit nur zäh verrinnen. Leider
haben die Songs teilweise Ohrwurmcharakter, sodass sie einen
noch verfolgen, wenn sie bereits im Orkus des Vergessens verschwunden
sein sollten. Das ist vermutlich das Monströseste an
dieser Harmlosigkeit von Album.