Gab es irgendwelche
Zweifel daran, dass auch der neueste Output aus dem Hause NEVERMORE
wieder ein absolut brillantes Stück Musik sein würde?
Eigentlich nicht, trotz des langwierigen Label-Hickhack und
dem etwas kuriosen Versuch, das ausschließlich produktionstechnisch
missglückte letzte Album Enemies Of Reality
durch eine Remix-CD doch noch in ein besseres Licht zu rücken.
Zumindest diese Sorge braucht man bei This Godless
Endeavor jedoch nicht zu haben, denn der Sound
wurde von Andy Sneap kompromisslos gut eingefangen und unterstützt
so alle Belange der NEVERMORE’schen Aussagekraft
perfekt.
Wobei wir zugleich die Vokabel genannt hätten, die dieses
Album am besten umschreibt! Denn die Herren aus Seattle leisten
sich diesmal wirklich nicht den Hauch einer Schwäche. Jedes,
und ich meine in der Tat jedes, einzelne Stück ist für
sich genommen einfach... perfekt. Da berührt den Hörer
jedes einzelne Riff, die Melodien, Übergänge und Breaks
sind einfach wunderbar und teilweise unglaublich emotional;
dazu macht alles an der richtigen Stelle Sinn, und es gibt keine
überflüssigen Schnörkel oder etwa auf der anderen
Seite Dinge, die man vielleicht vermissen würde. Mit Steve
Smyth als zweiter Gitarrist hat man sich zudem extrem geschickt
verstärkt; der Mann harmoniert nicht nur hervorragend mit
Jeff Loomis, sondern profiliert sich auch gleich noch als mindestens
genauso guter Komponist. Ebenso läuft Warrel Dane auf This
Godless Endeavor (wieder einmal) zu großer
Form auf, was nicht nur seine höchst abwechslungsreichen
Gesangslinien und den stimmlichen Umfang betrifft, sondern auch
die Texte, die sich mit der für ihn charakteristischen
zynischen Hoffnungslosigkeit über unsere gesellschaftlichen
und menschlichen Auswüchse hermachen.
Musikalisch vermengen NEVERMORE auch auf diesem
Album geschickt anspruchsvollen, harten Power Metal mit Thrash
und progressiven Elementen. Bereits der Opener Born
fängt unerwartet fix an, bevor einen das charakteristische
Riffing endgültig in den Bann zieht und nahtlos in die
beiden folgenden Tracks Final Product und My Acid
Words übergeht, die einfach klassisches NEVERMORE-Futter
in der Reinkultur darstellen; ein furioser Auftakt also! Aber
erst danach (!) zeigt die Band ihre ganze Stärke: das eher
mittelschnelle und an sich sperrige Bittersweat Feast
verfügt über unglaublich hypnotische Riffs und interessante
Gitarreneffekte, während sich Sentinent 6 als
einfach nur atemberaubende Ballade entpuppt. Als ob das nicht
reicht, folgt später mit Sell My Heart For Stones
noch eine zweite Ballade gleichen Kalibers.
Und obwohl so eine überzeugende Meisterleistung nach der
anderen folgt: das Beste hat sich die Band doch tatsächlich
für den Schluss aufgehoben. Denn wenn ein Titelstück
jemals würdig war, diese Bezeichnung zu führen, dann
ist dies wirklich The Godless Endeavor, welches in
fast neun Minuten fast schon wie das musikalische Manifest von
NEVERMORE erscheint und dabei jede Facette
der Band abdeckt. Doch so unglaublich es auch klingt: nach vielen
Durchläufen kristallisiert sich für mich das vorletzte
Stück A Future Uncertain als noch einen Tick besser
heraus. Wenn ich das gesamte Album nicht auf die sprichwörtliche
einsame Insel mitnehmen darf, dann wäre dieser Song mein
Track für die Ewigkeit. Mit einem Wort: perfekt! Nach dem
sehr tief gehenden akustischen Beginn gibt es hier einen Parforce-Ritt
in Sachen progressiver Power Metal zu bestaunen, der einfach
alle Aspekte moderner Kompositionskunst abdeckt und mich jedes
Mal mit einer neuen Frisur zurücklässt. Was will man
als Metalhead mehr?
Als Fazit sei daher noch einmal klar gesagt, dass This
Godless Endeavor mit einer phantastischen Vielschichtigkeit
und Atmosphäre aufwarten kann, dabei immer noch das volle
Brett bietet und brillante Songs en Masse enthält, so dass
es fast schon unfair erscheint, da noch Abstufungen vornehmen
zu wollen. Bisher empfand ich immer Dreaming Neon
Black als die in sich stimmigste NEVERMORE-CD,
aber nun legt die Band ein Album vor, welches Kopf und Bauch
gleichermaßen zu faszinieren versteht und in diesem Jahr(zehnt?)
nur schwer zu übertreffen sein wird. Wem das noch nicht
reicht, der sei noch auf das fantastische Artwork von Hugh Syme
hingewiesen, durch das die CD auch optisch perfekt (re)präsentiert
wird. Wahrlich schade, dass ich hier nicht mehr als die Höchstnote
vergeben kann...