Tja, hier
ist nun selbst der erfahrene Metalfan etwas überfragt. Was ist
das? Eigentlich ist NEUROSIS gar kein Metal, jedenfalls
nicht im herkömmlichen Sinn. Was aber dann? ... fragt der interessierte
Leser. Ich muss sagen, ich weiß es nicht. Ich kann es nur so
beschreiben: abgrundtief böse. Ich meine nicht, eine düstere
Stimmung verbreitend oder unheimlich, erwartungsvoll wie eine
Filmmusik von Carpenter. Nein, ich meine wirklich richtig böse.
Depressive Leute sollten wirklich die Finger von NEUROSIS
lassen. Die ganze Platte ist wie ein musikalischer Aufruf zum
Selbstmord. Ich hab echt nicht gewusst, dass man nur mit Musik
so eine böse Stimmung erzeugen kann.
Nach dem noch halbwegs humanen Intro Erode folgt schon
der erste Überhammer mit The Tide. Sehr schleppend und
schwer walzt es sich durch mein Zimmer. Bei dem Gesang drückt
sich in jeder Silbe der absolute Hass gegen die ganze Welt aus.
Es scheint, als wären das seine letzten Atemzüge und er muss
diesen Hass und diese Verachtung noch loswerden bevor er abtritt.
Wie in jedem Lied selbstverständlich. Es folgt From The Hill
wo die extremen Vocals noch besser durchkommen als beim
ersten Stück. Diese beiden Opener kommen trotz jeweils 9 Minuten
Länge ohne großartige Samples aus, wie NEUROSIS sie in
früheren Alben wie z.B. Enemy Of The Sun oder
Through Silver In Blood häufiger verwendet haben.
Das sagt jetzt nicht, dass das eine oder andere dadurch schlechter
ist, es ist halt nur anders. Der Titeltrack A Sun That Never
Sets wirkt dagegen für NEUROSIS Verhältnisse schon
fast fröhlich. Hierbei wird am Anfang sogar richtig normal gesungen.
Allerdings muss man sich stimmungsmäßig nicht allzu lange umstellen,
denn nach etwa zwei Minuten wird es halt wieder so richtig NEUROSIS.
Danach folgt das übliche Monster auf NEUROSIS Scheiben
Falling Unknown mit 13 Minuten. Trotz der, nach heutigem
Durchschnitt, übermäßigen Länge werden die Stücke nie langweilig.
Sie sind zwar nicht so abwechslungsreich, wie man das vielleicht
von zehnminütigen Instrumentalstücken anderer Bands kennt, dafür
hält einen diese Stimmung in ihrem Bann. Ein Bann aus dem man
nur herauskommt, wenn man den CD Player ausmacht. Es ist wirklich
faszinierend!
From Where Its Roots Run hört sich schon fast wie eine
Aufarbeitung eines indianischen Stammesliedes an. Ich hab wirklich
keine Ahnung wie die Jungs das im nächsten Stück Crawl Back
In fertiggebracht haben, diese schönen Melodien einzubauen
ohne die Gesamtstimmung aufzuhellen. Watchfire hängt
sich da fast nahtlos dran. Resound sorgt dann zwar noch
einmal für eine 1 ½ minütige Abwechslung, wird aber sofort von
Stones From The Sky wieder ins Kurzzeitgedächtnis verdrängt.
Dieses 10 Min. Teil bildet den Abschluss eines wirklich unglaublichen
Werkes.
Selbstverständlich
gehören NEUROSIS (wie fast alles von Relapse) in die
kranke Ecke der Musikbranche. Aber dennoch sehr angenehm krank.
Da NEUROSIS sich immer sehr viel Zeit lassen mit neuen
Alben, ist A Sun That Never Sets sehr ausgereift
und super produziert.10 Punkte sind daher das Mindeste was ich
geben kann (Hallo Cal geht auch manchmal mehr? - Nein, würde
ich auch manchmal gerne... ).