Was
für ein Humbug...
„Ihr seid die Triebwerke im System [...], tanzt und
lauft, die Uhren können nicht still stehen; tragt den Kampf
ins Herz der Bestie. Ausbeutung ist ihr Gesicht“.
Agitieren möchten EISHEILIG so gern, ein Statement
abgeben, „die Musikgewordene Antwort auf die Krise unserer
Tage“ sein. Radikales Engagement ist kein schlechter Ansatz
in einer Zeit, in der das Beziehen von eindeutigen Positionen
gerne mit einem Naserümpfen betrachtet wird. Doch welche
Position beziehen EISHEILIG? Salonbolschewismus, oder
jene aufgeregter Idealisten, die so gerne grundlegende Weisheiten
in die Binsen hinaus brüllen möchten? Irgendwo dazwischen
richtet sich die Band ein, presst eisenfresserische Texte hervor,
die der (eigentlich begabte und wandlungsfähige) Dennis
Mikus als variationsarme Till Lindemann-Kopie sprechsingt. Mehr
als Allgemeinplätze mit eingeschobener unfreiwilliger Komik
werden kaum geboten. Keine Höhepunkte kritischer Auseinandersetzung,
stattdessen pathetische Predigten: „Ihr seid die Strahlen
am Himmelszelt, wir sind ein Heer aus Gold und Licht; wir werden
kämpfen bis kein Herz mehr bricht!“ Da fehlt
nur ein Engel mit seiner Weisheit des Tages.
Musikalisch geht
es mit sakraler Wucht zu, orchestrale Passagen wechseln ab
mit mal stimmigem (Blut der Wölfe), mal stumpfem
(Erben der Erde, so eine Art Rammstein-Light) Gothic-Rock,
meist Marke neue deutsche Härte von Zeitlupe bis Midtempo.
Ist das noch die Band, die das klasse Album Auf dem
Weg in deine Welt veröffentlicht hat? Mit einem
wandlungsfähigen Sänger, der zwischen begabtem Rock-Shouter,
klarem Sänger und rüffelndem Gothic-Monster alles
drauf hatte, was das Herz eines Boxers, äh Liebhabers
dunkel-treibender Musik begehrt?
Und jetzt? Jetzt wird Auf dem Weg in deine Welt
abgehakt als „ein sehr persönlicher Ausflug in
melodiösere Gefilde [...], eine Momentaufnahme, die durch
einen Paukenschlag beendet wird“. Wenn mit dem „Paukenschlag“
diese altbackene, phrasenhafte, gerade mal halbe Stündchen
versemmelten pompösen Gothic-Rocks mit linden elektronischen
Einflüssen gemeint ist, dann hätte es auch eine
Piccolo-Flöte getan.
„Zeitgeist,
das ist der Geist unserer Zeit; Zeitgeist, das ist der Geist
der neuen Zeit“.
In Ulm um Ulm und um Ulm herum tanzen wir lieber den Mussolini
mit DAF, besuchen in der Grauzone einen Eisbären und
fahren mit Kraftwerk über die Autobahn. Ob Marylin Manson
einen Song aus seinem Fundus beisteuert, ist ziemlich egal.
Das mag vor zwei bis über drei Jahrzehnten entstanden
sein, ist aber moderner als der aktuelle Longplayer EISHEILIGs.
Da ändern auch die Industrial und Eastern Folk-Soundeinschübe
im englisch gesprochenen Now We Leave nichts dran.
„Follow Us“ – zum Abschluss noch eine multiple
Amanda Lear. Hilfe!
Das Trauerspiel einer begabten Band. Man könnte heulen,
wenn es nicht so lächerlich wäre (und ein paar wenige,
feine Momente abwerfen würde).
|