Man hatte
kaum genug Zeit, sich in den vielschichtig-mystischen KlangWelten
des zuvor von DIARY OF DREAMS veröffentlichten
Albums Nigredo einzuleben, da hält
man schon den, trotz allem ungeduldig erwarteten Abschluss dieser
'Trilogie', die EP MenschFeind in
Händen.
Ob sie einen nur mit neuen Fragen konfrontiert? Enthält
sie Antworten zu den unverstandenen Gefühlen, die das Album
hinterließ? Oder läßt sie uns wieder staunend
und suchend in der Mythologie Adrian Hates' und Gaun:As zurück?
Wie erwartet,
lässt das Artwork des gelungenen dreiseitigen Digi-Packs
schon auf die Stimmung des Mini-Albums schließen. Bedrohlich-traurig
schauen einen die fremdartigen Augen aus dem vernarbten Kindergesicht
an. Die innen abgedruckten Texte bestätigen diesen Eindruck
unverfälscht.
Leider konnte die erste Hörprobe nach einem Meisterwerk,
wie der Nigredo, fast nur enttäuschend
ausfallen. Die MenschFeind, die wie
die EP Panik Manifesto fast den Umfang
eines vollwertigen Albums hat, ist eine konsequente Weiterführung
der Nigredo. Sie reicht qualitativ,
sowohl was die Musik, als auch die Texte angeht, durchaus an
das letzte Album heran, allerdings ohne dessen Vielfalt zu erreichen.
Die MenschFeind ist mit einiger Sicherheit
das bisher traurigste, düsterste Werk von DIARY
OF DREAMS und verfolgt den Ansatz aus der Nigredo,
mit wenig Melodie, ja fast Sprechgesang, und noch mehr Rhythmus
existenzielle Gefühle zu vermitteln, sehr intensiv.
Das Intro
des Openers und Titelsongs MenschFeind stellt eine
regelrechte Verbindung zum Hidden Track der Nigredo
her, um dann nahtlos in den eigentlichen Song überzugehen,
der mit überraschend wenig Text über eher einfache
Arrangements und druckvoll-treibenden Rhythmus zu einem aggressiv-düsteren,
sehr tanzbaren, aber ungewohnt plakativen Refrain führt
und einen mit einem Gefühl der wütenden Ausweglosigkeit
zurücklässt.
Auch der erste von zwei deutschen Titeln, Haus der Stille,
ist noch rhythmischer angelegt als man es normalerweise von
Hates & Co. kennt und der verhaltene Gesang hat wieder kaum
Melodie. Der Song ist jedoch recht vielschichtig strukturiert
und vermittelt dem Hörer, passend zum Text, das Gefühl
von Unentrinnbarkeit und Sog, dem man gehetzt, aber vergeblich
zu entkommen versucht.
Ganz konsequent illustriert jeder einzelne Titel der MenschFeind
die Stationen der Ausweglosigkeit in der DIARY OF DREAMS
Mythologie kontinuierlich und auf seine Art und Weise. Day-X-Relic
wirkt resigniert und hilflos durch die taumelnde, tänzelnde
Begleitmelodie und recht leisen, zurückhaltenden Gesang,
der wiederum fast nur aus Sekund-Schritten besteht. Melodisch
genauso zurückhaltend wird Killers zur Beschreibung
des neben dem Text abgebildeten, abgeklärten Kindes, welches
scheinbar alles hinter sich gelassen hat. Nur der schleppende,
doch treibende Rhythmus und der Text zeugen von möglicher
Hoffnung. Diese führt zu Treibsand. Dieser Song
wirkt im Vergleich fast fröhlich durch seine hüpfende,
aber nicht allzu interessante Begleitung, was durch die verhalten
stampfenden Drums und die verfremdete Stimme sofort wieder zu
einer suchenden, sehnsüchtigen Stimmung verdunkelt wird.
The Cage hat zwar alle Eigenschaften für ein gelungenes
Stück Musik, wie interessante Rhythmus- und Begleit-Arrangements,
die durchaus druckvoll und tanzbar sind, trotzdem fällt
dieser Song gegen die anderen ab, obwohl er der Grundstimmung
von MenschFeind absolut treu bleibt.
Abschluss und gleichzeitig Aussichtspunkt auf zukünftige
DOD-Werke bildet Pentaphobia, meiner
Meinung nach der stärkste Titel auf dieser Scheibe. Melodiös
in Gesangslinie und Begleitung und mit sanften Drum-Arrangements
berührt er mich, wie kein anderer Song auf MenschFeind.
Tieftraurig und Mitleid erregend lässt er uns allein mit
der Hoffnung, dass das nächste Lebenszeichen von DIARY
OF DREAMS diesen Zustand auflösen werde.
Letztendlich
ist die EP MenschFeind von Grund auf
empfehlenswert - vielleicht nicht für den DOD-Einsteiger,
aber ein Muss für jeden Fan. Anspruchsvoll und hochwertig
wie erwartet ist sie, zwar ohne echte Perlen, welche auf der
Nigredo gleich mehrfach zu finden
waren, allerdings auch ohne echten Ausfall. MenschFeind
ist ein in sich rundes Werk und hat deshalb die 9 Punkte absolut
verdient.