BETHLEHEM – Schatten aus der Alexander Welt  
 
Label: Prophecy Productions
Release: November 2001
Von: Psycho
Punkte: 9 (Musik) / 5 (Hörspiel)
Time:  
Stil: Dark Metal
URL: Bethlehem
 

Eins muss man BETHLEHEM ja lassen: diesmal haben sie wirklich eine ganze Menge anders gemacht als auf den vorherigen Veröffent- lichungen. Das fängt schon bei der Optik an, denn SADAW kommt als fette Doppel-Klappcover-DCD-Box daher, komplett in weiß gehalten und eher schlicht gestaltet. Inhaltlich wird dann ebenfalls nicht das gewohnte (oder normale) geboten, denn neben den neuen Tracks haben Bethlehem diese in ein Hörspiel eingebettet, in dem eine (fiktive?) Person in die Welt hinter ihrer Wohnungstapete, nämlich der Alexanderwelt, eintaucht, davon zunächst fasziniert ist, hinterher jedoch nach Wegen sucht, wieder ins reale Leben zu entkommen. Dabei trifft sie eine ganze Menge unterschiedlicher Personen (reicht von diversen Erzengel bis hin zum eigenen Vater) und erlebt mit ihnen verschiedene Begebenheiten, oder es werden, teilweise sehr wirre, philosophische Diskussionen geführt...

Wem das jetzt recht abstrakt erscheint, der liegt damit natürlich nicht falsch. Dabei hat sich die Band mit der Realisierung dieser Idee wahrlich Mühe gegeben. So werden jede Menge verschiedene Sprecher eingesetzt, und es wird nicht nur mit Dialogen, sondern auch mit tonaler Gestaltung gearbeitet. Herausgekommen ist aber leider zu oft nur der gut gemeinte Ansatz, zu häufig wirken Geschehen oder Gespräche wie dem Lehrbuch des kleinen Hobbypsychoanalytikers entnommen. Das wirkt dann halt nicht mehr schockierend oder aufrüttelnd, sondern eher unfreiwillig komisch, zumal die Leistungen der Sprecher auch ein zu unterschiedliches Niveau aufweisen. Der größte Nachteil ist aber der große zeitliche Umfang, den das Hörspiel auf dieser Doppel-CD einnimmt; der ist schlicht und ergreifend zu lang geraten. Hier wäre weniger in der Tat mehr gewesen!

So hat man zuweilen fast den Eindruck, als wäre die Musik eher die Nebensache dieser Veröffentlichung, und wer weiß, ob BETHLEHEM sich dies nicht sogar insgeheim so gedacht haben. Was eigentlich schade ist, denn auch musikalisch hat es im Gegensatz zu den Vorgängern einige drastische Veränderungen gegeben. Nicht, daß den Hörer jetzt fröhliche Partymucke erwarten würde; BETHLEHEM sind immer noch eine sehr bedrückende Band. Aber die Mittel hierzu sind deutlich eingängiger, weniger abrupt oder unerwarteter geworden. Und überraschenderweise steht dies der Band extrem gut zu Gesicht, denn obwohl die Stücke definitiv leichter zugänglich sind (was nun nicht bedeutet, daß sie sich der Masse angepaßt hätten), so haben sie in ihrer morbiden, dunklen Ausstrahlung vielleicht sogar noch an Intensität gewonnen; wohl deshalb, weil man den erzeugten Bildern nun einfach mehr Raum bietet, sich zu entfalten und ihre Wirkung zu offenbaren. Dabei stehen gar nicht mehr so sehr verzerrte Gitarren im Vordergrund, sondern SADAW ist zuweilen fast schon ruhig oder bedächtig zu nennen, ohne dabei aber von seiner abgrundtiefen Faszination einzubüßen. Die Texte sind wie gewohnt voller Metaphern und Anspielungen und daher nicht als gerade leicht verständlich zu bezeichnen. Auch hier empfehlen sich durchaus Grundkenntnisse aus einem Psychologiestudium...

Exemplarisch könnte man hier meinen persönlichen Favoriten Maschinensohn anführen, der im Wechsel elegische akustische Melodien und eingängige harte Gitarren mit aufwühlenden, teilweise zweistimmigen Hooks verbindet, genaugenommen aber mit ganzen zwei Riffs auskommt. Hier gefällt mir übrigens auch der Text sehr gut, der in mit interessanten Wortmalereien und einer sehr emotionalen und variablen Gesangsleistung die Liebe zwischen Kunstgeschöpf und Erzeuger schildert. Als weitere gelungene Beispiele könnte ich hier noch die Stücke Rost, Wahn & tote Gleise und Mein Kuss erstickt im Imperativ nennen. Aber genau hier ist eben auch der Punkt, der mich halt nicht unerheblich ärgert: die Musik ist wirklich toll, nur gibt es davon leider zu wenig auf dieser DCD. So finden sich quasi nur 6 richtige Stücke, und davon wären mir mehr wirklich lieber gewesen! Zwar befindet sich zusätzlich auf jeder CD noch ein Hidden Bonus Track, doch handelt es sich dabei jeweils "nur" um eine (gelungene) Mischung aus Ambient, Dark Industrial und Soundtrackelementen.

Insgesamt also eine durchaus zwiespältige Sache, die aber aufgrund der beeindruckenden musikalischen Leistung und Entwicklung doch noch eine Empfehlung wert ist. Wahrlich enttäuschend ist allerdings der Internetauftritt, der außer einem Diskussionsforum und einem Kontaktlink nichts weiter zu bieten hat...