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2013-05-31 DE – Muenster - Sputnik Café

[Dajana] Ein hoch auf die chinesische Klonkunst – ich brauch endlich funktionsfähige Duplikate meiner selbst, denn der 31. Mai war mal wieder einer dieser Kettensägenmassaker-Tage, bei dem man sich als Musik- und Konzertjunkie in (gefühlte) 100 Teile zersägen muß, um an 100 Veranstaltungen gleichzeitig teilnehmen zu können (tatsächlich waren es genau 10). Meine Planung hieß erst VALBORG, dann anders, aus anders wurde nix, also doch wieder VALBORG, in Münster. Warum in die Ferne schweifen… Das NH liebt die Zeitgeister, das NH liebt VALBORG, da gibt es, was mich betrifft doch eh keine Fragen mehr zumal ich VALBORG noch nie live gesehen habe… ;)

:: Fotos ::

[Dajana] Der Abend beginnt (Reifen)platt aber relaxt mit Haltepunkten an verschiedenen Bierstellen. Wir haben es nicht eilig, die Bands auch nicht ;) Opener :: AUßERWELT :: beginnt mit knapp einer halben Stunde Verspätung (und überzieht dann auch noch). Die 2011 gegründete lokale Post Black Metal Band spielt heute ihren zweiten Gig und das merkt man den Münsteranern deutlich an. Sie sind unsicher, verspielen sich, drehen sich von Publikum (und Kamera) weg (und das darf nur Jim Morrison) und der Sänger weiß nicht wohin mit seinen Händen. In die Hosentaschen gehören die jedenfalls nicht. Aber nun, Meister fallen bekanntlich nicht vom Himmel. AUßERWELT haben sicherlich einen noch recht langen Weg vor sich, bevor aus dem belanglosen aber zurzeit hippen Post Black Metal ernstzunehmende Kompositionen werden und sich auf der Bühne sowas wie Atmosphäre aufbaut. Bei den letzten beiden Stücken hatten AUßERWELT dann zumindest sowas wie einen gemeinsamen Rhythmus gefunden und kamen ein bißchen aus sich heraus… Da geht noch was.
[BRT] Jau, kann ich so unterschreiben und würde das Ganze aber noch mit überambitioniert aber mit gravierenden handwerklichen Mängeln, vor allem im Rhythmus-Bereich, und einer völlig fehlenden Ausstrahlung konkretisieren. Die Klopper-Parts waren einfallslos und schlecht gespielt! Zumindest muß man den Jungs attestieren, daß ihre akustischen Postrock-Parts schon in die richtige Richtung gehen. Dieser Auftritt kam für die Jungs von AUßERWELT aber definitiv viel zu früh. Daher war draußen dann doch besser...
Setlist: WL, Odem, Euphorie, Wende, Nebel, Aufbruch, AGM

[Dajana] Ganz anders :: VALBORG :: Der garstige Death/Black/Doom-Bastard der Zeitgeister hat sich längst etabliert und eine Art Kultstatus erreicht. VALBORG beschränken sich musikalisch auf das Wesentliche, sind dabei trotzdem so experimentierfreudig wie unberechenbar, hypnotisierend brutal, grobschlächtig und verbreiten Celtic Frost’sche Düsternis. Und genau so bringen sie das live auch rüber. Das ist einfach nur zum niederknien großartig! Während Bassist und Sänger Jan den Leuten mit fiesem Gesang das Fürchten lehrt, tobt Gitarrist Christian wie ein Derwisch über die Bühne und durch das Volk. Nun ja, Drummer Flo ist da ja etwas platzgebunden… Das ist vertonte Boshaftigkeit, und das minderjährige true Black Metal Fußvolk sucht verschreckt das Weite. Wie putzig… Das Sputnik Café hat sich nun leider merklich geleert. Eine Schande… Meine Wenigkeit genießt und huldigt VALBORG allerdings bis zur letzten Sekunde. Das war einfach unglaublich. Der Hammer! Ein Konzerterlebnis der Extraklasse!
[BRT] Völlig fehlplaziert sind die beiden Bands um VALBORG herum, denn diese zeigen von der ersten Sekunde an, wie man Ausstrahlung und in-your-face-Attitüde auf der Bühne umsetzt und wie man trotz anspruchsvoller Musik die Hölle auf die Bühne rockt... Jaja, das war schon sehr eindrucksvoll und ist Werbung dafür sich nächstes mal wieder einen Gig von den Jungs anzuschauen. Der klassische Black Metaller scheint mit dieser Art von Sound und seiner Präsentation ein wenig überfordert... Schade. Ein kleiner Makel ist der etwas zu leise Gesang, der leider im stampfenden Inferno untergeht.
Setlist: Tempelberg, Vervolv, Under The Cross, Dawn Of Gloom, Ich fresse die alte Sommernacht, Massaker in St. Urstein, Sakrale Vernichtung, Battlefield Of Souls, Eerie And Old, Whispers Of The Wizard

[Dajana] Die - nennen wir sie mal Black Metal Szene - ist rührig dieser Tage, entfaltet sich stilistisch enorm. True ist out, alles ist erlaubt, was sich an Genres, Stilen und Einflüssen mit dem Black Metal (oder auch nicht) paaren und verschmelzen läßt. Da läßt sich unglaublich viel Schrott aber auch so manches musikalisches Kleinod finden. Und auf sowas hoffte ich heute abend, denn zum einen gehört :: TOTAL NEGATION :: zum Temple Of Torturous Label, zum anderen findet sich hinter diesem Ein-Mann-Projekt der Wiedergaenger, unter anderem bekannt von Aurvandil, Qualitätsmerkmale. Der heutige Abend steht ganz im Zeichen seines neuen Albums Zur späten Stunde | Zeiträume, welches mit dieser Show nun als offiziell veröffentlicht gilt. Und diese war… die allererste Liveperformance von TOTAL NEGATION. Dafür hat sich der Wiedergaenger ein Liveband dahingestellt, maskiert und zumindest optisch interessant. Es gab eigenes Licht und allerlei Utensilien - eine Uhr, die später angesägt wurde, einen Eimer Erde nebst riesigem Spaten, ebenfalls in Gebrauch und Computer, Cajón und ein Mellotron? Das hieß wenig Bewegungsfreiraum für die Musiker und den Hauptakteur, der so seine künstlich aufgesetzte, überambitionierte Wahnsinnigkeit wenig zur Schau stellen konnte. Musikalisch würde ich das Ganze mal unter suizidal-depressiven Black Metal einordnen, gemischt mit Krautrock. Daher die Mellotron-, Mundharmonika- und sonstigen (synthetisch erzeugten) obskuren Klänge. Klingt aus der Konserve recht spannend, live kam davon aber herzlich wenig rüber. Der Sound war dafür einfach suboptimal und das Hauptaugenmerk lag halt mehr auf der Show als auf der Musik an sich. Hatte alles einen zu gewollten und übertriebenen Anstrich.
[BRT] Wie schon Außerwelt sind auch TOTAL NEGATION ziemlich überambitioniert. Die Jungs wollen sehr viel und genauso wirkt der Gig, irgendwie pseudo-intellektuell... Man versteckt sich hinter netten Masken, aber so richtig will die Atmosphäre nicht zünden. Handwerklich gibt es nichts auszusetzen, aber vielleicht ist Depressive Suicidal Black Metal auch einfach nichts was auf die Bühne muß, sondern in einem dunklen kerzenerleuchteten Zimmer gehört werden will. Das betont schrille Gekreische des äh, Sängers... geht mir dazu noch ziemlich schnell fürchterbar auf den Sack und so verziehe ich mich raus zum Bier trinken.
Setlist: Zeitwende, Zeit, Dead Day, Widerstand, Geist, Einzug

[Dajana] VALBORG waren also der klare Gewinner, in allen Belangen, auch wenn das jetzt nicht wirklich schwer war. Endlich hab ich sie mal live gesehen und bin hin und weg. Davon hätte ich gern mehr. Bierselig streune ich noch ein Weilchen durch’s Gelände und troll mich dann auch.
[BRT] Jawoll, das kann und muß ich so unterschreiben! Nebenbei ein toller Abend mit vielen netten Leuten, wo allerdings eins von den höchstens drei Bieren die ich intus hatte schlecht gewesen sein muß... Der Heimweg per Zug war zumindest recht unangenehm ;)

 

story © BRT & Dajana • pics © Dajana