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London After Midnight - Kirlian Camera - Dope Stars Inc.

 
2007-11-01 DE Krefeld - Kulturfabrik

[Daniel] Nachdem im Frühjahr die dritte Auflage der Orkus Club Tour gecancelt wurde, konnte mit den nun als Orkus International Festival Tour betitelten Veranstaltungen ein adäquater Ersatz auf die Beine gestellt werden. Vom ursprünglichen Lineup sind nur noch die U.S.-Gother LONDON AFTER MIDNIGHT übrig geblieben, die vor kurzem nach sage und schreibe mehr als zehn Jahren ein neues Album am Start haben und sich in der Zwischenzeit live mehr als rar gemacht haben. Letzteres gilt leider auch für die Italiener KIRLIAN CAMERA, nur sehr unregelmäßig live und schon gar nicht in NRW auftreten - ich kann mich zumindest nicht an derartige Konzerte im bevölkerungsreichsten Bundesland erinnern. LOLA ANGST waren in der Krefelder Kulturfabrik wegen anderweitiger Liveverpflichtungen nicht mit dabei, so dass der zweiten Band aus Italien - DOPE STARS INC. - die Rolle des Special Guest zukam.

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[Kerstin] Also fiel den DOPE STARS INC. die leidige Pflicht des Openers zu. Bandleader und Sänger Victor Love hätte mal besser auf seine Mitstreiter aufpassen sollen, denn ihm sind scharenweise die Bandkollegen weggelaufen. Von der Originalbesetzung ist mittlerweile nur noch Darin Yevonde übrig, da zuerst Keyboarder Grace Khold und danach vor kurzem Gitarrist Alex Vega ausgestiegen sind. Als Unterstützung gab es dann den neuen Stimmungsmacher Noras Blake hinter dem Apple Laptop, der auch in jede Hiphop Band perfekt gepasst hätte und komplett aus dem ästhetischen Rahmen der sonst sehr gestylten Band fiel. Neuerdings legen die DOPE STARS INC. ihre Priorität eher auf Goth’n Roll, mit stilechten Guns n’ Roses- bzw. Ramones-Shirts, was bei Victor Love definitiv das doch äußerst ansehnliche Bäuchlein verstecken sollte. Leider lockte der Auftritt keine Katze hinter dem Ofen hervor und das spärlich vorhandene Publikum zollte der stumpfen Performance mit Mischung aus Songs der beiden Alben auch nur höflichen Applaus, selbst der Opener Theta Titanium, eigentlich ein sehr starker Song, konnte nicht überzeugen. Victor Love wirkte mehr denn je wie ein kleiner Junge und richtig gerockt wurde nur am Ende mit dem Ace Of Spades von Motörhead, bei dem Drummer Joe von London After Midnight mit einstieg und es einmal richtig knallen ließ.
[Daniel] Mit ihren Gigs auf dem M’Era Luna oder dem Amphi Festival konnten mich die DOPE STARS INC. mit ihrem Cyber Glam Goth im Corporate Design durchaus überzeugen. In der Zwischenzeit hat sich das Besetzungskarussell offenbar heftig gedreht und auch von der optischen Komponente ist nicht mehr viel übrig geblieben. Die Band war in Krefeld nur noch ein Schatten ihrer selbst: Der früher schon nicht hundertprozentig überzeugende Frontmann Victor Love nun mit Gitarre unter Doppelbelastung plus Bauchansatz plus einen mehr schlecht als rechten Ersatz für den stylischen Grace Khold hinter dem elektronischen Equipment. Das Publikum strafte die maue Perfomance mit Ignoranz wie sie sonst wahrscheinlich nur Vorbands von Marilyn Manson erfahren dürfen, obwohl ihre Musik durchaus zum Headliner London After Midnight gepasst hätte. Einzig das rotzig herunter gespielte Ace Of Spades riss das Publikum aus dem Dauerschlaf. Ein nicht gerade gelungener Auftakt des Festivals.

[Daniel] Die spärliche Besucherzahl bei den Dope Stars Inc. ließ Schlimmes befürchten, doch pünktlich zum Intro im Neoklassik-Stil kamen die Fans von den Bierständen los und bevölkerten den Konzertraum. Offenbar waren nicht wenige Fans wegen KIRLIAN CAMERA da, kein Wunder bei der langen Abstinenz in NRW. Zum Intro trat die Band wie üblich nacheinander in martialischen Outfits mit Taschenlampen und Sturmmasken bewaffnet auf die stockfinstere Bühne. Angelo Bergamini - einzige Konstante in der mehr als 25-jährigen Bandgeschichte der Italo-Cold-Waver - leuchtete mit seiner Lampe einzelne Gesichter im Publikum an. Mit In The Endless Rain ging es erst einmal gemächlich los. Sängerin und Grazie Elena Fossi zog in der Bühnenmitte nicht die Blicke der männlichen Besucher sofort auf sich und verzauberte das Publikum von der ersten Sekunde an mit ihrer Stimme. Insgesamt erinnerte die Setlist an den Gig auf dem Wave-Gotik-Treffen im letzten Jahr, so dass sich die Italiener erst einmal schwerpunktmäßig durch die letzten beiden Albumveröffentlichungen Coroner’s Sun und Invisible Front 2005. Bereits im Vorfeld war zu lesen, dass für die Tour eine Geigerin mit dabei sein würde. Sarah Crespi übernahm mit ihrem Geigenspiel bei K-Pax gar das Hauptmotiv des Songs und konnte auch sonst neue Akzente im Sound setzen. Teilweise erhielt sie gar Szenenapplaus und nach ihrem virtuosen Intro zu Heldenplatz war klar: Wer braucht da noch Emilie Autumn? Im zweiten Teil des Sets streifte die Combo mit einer noch knapper bekleideten Sängerin auch ältere Klassiker aus den tiefsten 80ern wie News oder Edges, dargeboten in aktuellen Versionen. Insgesamt hatte man den Eindruck, dass vergleichsweise wenig an den Synthies voreingestellt war - eine erfreuliche Abwechslung zu drögen Laptop-Performances und spannend zu sehen, wie die Bandmitglieder immer wieder den Blickkontakt zu „Chef“ Bergamini suchten, der etwa im letzten Drittel des Gigs seine Sturmhaube dann doch abnahm. Das euphorische Publikum verlangte natürlich nach einer Zugabe. Mit den Klassikern Ascension und Eclipse verabschiedeten sich KIRLIAN CAMERA und ließen ein wirklich begeistertes Publikum zurück. Mit einem Dauergrinsen im Gesicht hätte ich jetzt eigentlich nach Hause gehen können, doch nach einer kurzen Umbaupause wurde es Zeit für den Headliner.
[Kerstin] Zu dem Auftritt von KIRLIAN CAMERA füllte sich der Raum zusehends mit teilweise sehr martialisch gestylten Fans in froher Erwartung eines sehr seltenen Ereignisses: Ein KIRLIAN CAMERA Konzert in Westdeutschland! Die Erwartungen wurden nicht enttäuscht! Es war definitiv das Highlight des Abends für mich und auch für die Band. Elena, bildschön und stimmgewaltig wie immer, ließ sich von der Menge feiern und das euphorische Publikum entlockte selbst Onkel Bergamini ein Lächeln am Schluss, nachdem er sich endlich seiner Sturmmaske entledigt hatte.

[Kerstin] Meine Erwartungen an den Gig von LONDON AFTER MIDNIGHT waren sehr gemischt. Hatten die Amerikaner doch seit 10 Jahren kein neues Album mehr vorgelegt und wurde die Jahre hinweg immer wieder spekuliert, ob LAM in die Fußstapfen der Sisters Of Mercy treten und nie wieder eine neue Platte veröffentlichen werden. Bis auf einige Festivalauftritte 2001 und 2002 war es sehr ruhig um die Band geworden, die trotz Kultstatus auch in der Gotenszene immer mehr und mehr in Vergessenheit geraten war. Auch als LAM als Headliner der Orkus International Festival Tour bekannt gegeben wurden, zweifelten viele, dass Tour auch wirklich stattfinden würde. Allen Spekulationen zum Trotz wurde das neue Album pünktlich veröffentlicht und LAM standen auf der Bühne der KuFa und zeigten allen, dass sie immer noch Ikonen der Szene sind, auch wenn sie bei diesem Konzert zu einem Trio geschrumpft waren, da Keyboarder Tamlyn erst wieder auf dem Wave-Gotik-Treffen 2008 dazu stoßen wird. Neue Songs wie Nothing’s Sacred oder das den USA gewidmeten America’s A Fucking Disease, aber auch alte Hits wie Your Best Nightmare, Spider And The Fly und Kiss wurden begeistert vom Publikum gefeiert und auch Sean Brennan zeigte sich offen wie nie zuvor mit Fragen an das Publikum, was sie als nächstes hören möchten, nur der Tontechniker bekam einige böse Blicke, da er während des ganzen Konzerts nicht das Problem von Sean Brennans Monitorsound beheben konnte.
Mit Sacrifice als krönendem Abschluss wurden die begeisterten Fans in die Nacht entlassen und konnten sich auf eine Autogrammstunde mit allen Bandmitgliedern am Merchstand freuen.
[Daniel] In Gedanken noch beim famosen Gig von Kirlian Camera hatte sich der Konzertraum schnell wieder gefüllt. LONDON AFTER MIDNIGHT sind also doch nicht ganz in Vergessenheit geraten. Der Altersdurchschnitt im Publikum war aber vergleichsweise hoch. Meine Erwartungen waren ebenfalls sehr gemischt - eigentlich hatte ich gar keine - aber LONDON AFTER MIDNIGHT lieferten einen wirklich ansprechenden, headlinerwürdigen Gig ab. Die charismatische Frontdiva Sean Brennan schien nicht ein Jahr gealtert, stimmlich fit und hatte gar das gleiche Outfit wie vor 7 Jahren an, als wäre die Zeit stehen geblieben, wenn da nicht die zahlreichen neuen Songs vom überraschend guten Album Violent Acts Of Beauty gewesen, die sich stimmig zu den Klassikern wie Kiss oder Sacrifice gesellten. Auch wenn man beim Frontmann nicht wirklich von einer Bühnenperformance sprechen kann war der Gig eine überraschend runde und spannende Angelegenheit. Hätte ich vorher nicht gedacht! Ein gelungener Abschluss des Abends.

 

story & pics © Daniel