<< archive
 

HEAVEN & HELL • OOMPH!

 
2007-07-05 AT – Wien - Rotundenplatz

Irgendwelche koordinatorisch unterbegabten Menschen hatten es geschafft, dass METALLICA und HEAVEN & HELL am selben Tag in Wien spielen sollten – allerdings an verschiedenen Orten. Wäre es dann tatsächlich so gekommen, wären wohl nicht wenige Metaller vor einem Dilemma gestanden, meinereiner jedenfalls mit Sicherheit. Diese Entscheidung wurde mir allerdings abgenommen, indem man die Halbgötter Iommi, Butler, Appice und Dio einfach zur METALLICA-Vorgruppe für diesen Tag umfunktionierte. Leider waren erstere dadurch natürlich zu einem deutlich kürzeren Auftritt als am Rest ihrer Tour gezwungen. Nachdem aber METALLICA in jüngerer Vergangenheit mehrfach durch extrem Klassiker-dominierte Setlisten aufgefallen waren, war ich letztendlich doch froh, nicht auf mein erstes Metallica-Konzert seit 1993 verzichten zu müssen (was ich ansonsten wohl zugunsten von HEAVEN & HELL getan hätte).

Ach ja, als erste Vorgruppe hätten eigentlich Bullet For My Valentine spielen sollen, die ihren Auftritt aber aus nicht genau erläuterten Gründen absagten, was uns jetzt nicht weiter traurig stimmen soll. Die Rammstein-Vorbilder :: OOMPH! :: wurden letztendlich stattdessen engagiert – eine Band, die zwar in ihrem Bereich sicher zu den kompetentesten Vertretern zählt, aber trotzdem nicht mein Fall ist, weshalb ich, ebenso wie die meisten meiner Freunde und Bekannten unter den Konzertgängern, beschloss, erst gegen Ende des OOMPH!-Auftritts einzutreffen, was uns auch sehr akkurat glückte – die letzten 2 Stücke bekamen wir in der Warteschlange beim Eingang mit.

Der Austragungsort dieses Giganten-Freilufttreffens, nämlich der Rotundenplatz beim Wiener Messegelände, war mir als solcher bis dato unbekannt und erwies sich als sandiger Schottterboden – wahnsinnig gemütlich… dennoch fanden sich über 30 000 Hanseln und Greteln zum großen Ereignis ein – darunter gut 70% Mainstream-Publikum.

Von diesen war der überwiegende Teil nicht übermäßig an der göttlichen Darbietung interessiert, die :: HEAVEN & HELL :: pünktlichst nach Zeitplan darzubieten begannen, und zwar mit dem traditionellen Intro E5150, gefolgt von einem (von den wenigen tausend Interessierten) eifrig beklatschten Mob Rules. Schon da war klar, dass Dio mit seinen 66 Jahren nach wie vor ein absoluter Ausnahmekönner seines Fachs ist – nennen wir es beim Namen: der beste Sänger im Metal-Bereich. In seinem Samthemd vollführte er wieder einmal Gesten, als hätten wir das Jahr 1980. Trotz des starkes Windes war der Sound (zumindest dort, wo wir standen) ziemlich akzeptabel, und so stand einem ungestörten Genuss von fast ausschließlich vom Überalbum Heaven And Hell und vom Nachfolger Mob Rules stammenden Klassikern wie Children Of The Sea, I (einziges Dehumanizer-Stück), Voodoo oder The Sign Of The Southern Cross nur das inkompetente Gegröle einiger Ignoraten im Wege, welches aber auch nicht allzu schwer ins Gewicht fiel. Niemand außer Toni Iommi (wie üblich mit diesem entsetzlichen riesigen Kreuz behängt) kann derartige tonnenschwere Riffs in diesem unvergleichlichen Stil vortragen – und damit steht dieses Konzert in meiner persönlichen Wertung auf einer Stufe mit dem Black Sabbath – Auftritt vor 2 Jahren in der Stadthalle, als man mit Ozzy am Mikrofon die Anfangsphase der Sabbath-Karriere ebenso genial nachzeichnete wie eben diesmal die Dio-Jahre. Die Young – zum Glück habe ich das nicht getan, sonst hätte ich diese großartige Nummer nie live um die Ohren gekriegt. Absoluter Höhepunkt des Sets war dann das abschließende Heaven & Hell, auch heute natürlich wieder um einige Kilometer länger als in der Studioversion. Ein perfekter Auftritt also, oder nicht? NEIN, nicht ganz! Wo um alles in der Welt war Neon Knights? Wird doch am Rest der Tour gespielt! Kann doch nicht sein, dass da heute keine Zeit dafür ist!!!! Meine Herren: Die Nummer auszulassen, erfüllt den Tatbestand des Tiefschlages! Die paar Minuten wäre wohl noch Zeit gewesen! Aber gut, das soll den extrem positiven Gesamteindruck jetzt aus nicht allzu entscheidend trüben. Es war göttlich, und man darf ja hoffentlich damit rechnen, bei der Headlinertour im Herbst dann eine deutlich längere Vorstellung mitzuerleben.

In der folgenden, fast einstündigen Umbaupause wurde es im vorderen Bereich des Areals dann mehr als eng, sodass unsereiner es vorzog, sich eher im mittleren Bereich aufzuhalten, wo man wenigstens noch ein paar Zentimeter Platz zum Birne-Beuteln hatte. Als also dann endlich das altbekannte Intro The Ecstasy Of Gold ertönte, gingen zahllose Fäuste in die Luft, und was danach in den ersten 2 Dritteln des über 2 Stunden dauernden :: METALLICA :: Autrittes folgte, musste eigentlich jedem Anhänger der ersten 4 Alben die Freudentränen in die Augen treiben. Da ich zuvor weitestgehend erfolgreich sämtliche in diversen Intenetforen kursierende Setlisten ignoriert hatte, war meine freudige Überraschung jetzt umso größer, gleich als erstes mein Lieblingsstück Creeping Death serviert zu kriegen. Schon da wurde endgültig klar, dass die Fans der Frühphase nicht gerade die absolute Mehrheit im Publikum stellten, sonst hätte das altbewährte „Die! Die! Die!...“-Spielchen im Mittelteil, bei dem das Publikum eigentlich zunächst ohne Aufforderung aktiv werden sollte, wohl etwas mehr Mitwirkende gefunden als bestenfalls 10% der Anwesenden. For Whom The Bell Tolls folgte mit schlechtem Sound nach, und mit dem Titelstück wurde gleich noch ein drittes Ride The Lightning – Stück hinterhergeschoben, glücklicherweise bereits mit besserem Sound, der aber trotzdem in der gesamten ersten Halbzeit noch ziemlich vom Wind abhängig blieb. Die ohnehin schon verrückt spielenden Glückshormone der Thrasher wurden mit dem nicht unbedingt zum Stammset zählenden Disposable Heroes noch weiter angestachelt, und bei Sanitarium bekam ich dann die ersten Stimmprobleme. An Schonung war aber nicht zu denken, denn schon kam die nächste Genialität in Form von …And Justice For All angefahren. Trotz aller Professionalität war doch auch die Spielfreude der Band nicht zu übersehen, wenn auch die immer wiederkehrenden kurzen Solos von Hammett und Trujillo den beiden Chefs willkommene Verschnaufpausen gewesen sein dürften... ist ja auch wirklich erschreckend, wie alt der Hetfield mittlerweile aussieht - da weiß ich doch gleich wieder, wieso ich den ganzen Abend lang keinen Tropfen Alkohol zu mir genommen hab. In seinen Ansagen betonte er stets die Nähe zwischen Band und Publikum und würdigte auch die Herren von HEAVEN & HELL als diejenigen, die seiner Partie den Metal beigebracht hätten. Ruhe für meine Stimme und Genickmuskeln gab es dann bei The Memory Remains, bei dem allerdings nicht unbeträchtliche Teile des Publikums ganz plötzlich ihre Mitsingqualitäten entdeckten. Meinen in Richtung meines Nebenmannes geäußerten Worten „Wenn man hauptsächlich in der Metalszene unterwegs ist, kriegt man ja gar nicht so mit, wie unglaublich vielen Leuten dieser neuere Scheissdreck taugt“ möchte ich an dieser Stelle gar nix mehr hinzufügen. Genau diese vielen Leute waren es dann auch, die bei der Göttergabe The Four Horsemen wieder in ratloses Schweigen verfielen. Rob Trujillo durfte hernach mit einer Soloeinlage und einem sehr kompetent umgesetzten Orion beweisen, dass er, und das sage ich bei aller Sympathie für Jason Newsted und mit vollem Respekt für dessen Verhalten - vom Spielstil her der wahre Nachfolger von Cliff Burton ist (seine schimpansenartige Bühnenpräsenz muss man ja deshalb noch lang nicht sonderlich schätzen). Fade To Black bot nochmal ein bisserl Zeit zum Verschnaufen, bevor das vielumjubelte Master Of Puppets erneut körperliche Schwerarbeit erforderte. Danach folgte mein persönlicher Höhepunkt des gesamten Abends: Whiplash, in höllischer Geschwindigkeit abgefeuert – darauf hatte ich echt kaum zu hoffen gewagt. Großartig! Damit war der reguläre Teil, der meine kühnsten Träume übertroffen hatte, beendet. Es kam, was kommen musste, nämlich der erste Zugabeteil mit den sogenannten „Hits“. Die nette Sandlerhymne Wherever I May Roam kam dabei erfreulicherweise statt des unsäglichen Sad But True zum Zug, gefolgt vom etatmäßigen Schmachtfetzen Nothing Else Matters (bei dem interessanterweise kaum Feuerzeuge in der Luft zu sehen waren, das aber natürlich von der MTV-Fraktion dennoch leidenschaftlich mitgejammert wurde). Maschinengewehr-Rattern, laute Explosionen und heftiger Pyro-Einsatz – NA, WAS KANN DENN DAS SEIN? 100 Punkte! One, ebenfalls von vielen lauthals mitgesungen, kam äußerst heftig aus den Boxen und danach wurde die erwähnte MTV-Fraktion mit Enter Sandman ins Bett geschickt. Tatsächlich verließen jetzt etliche Leute das Gelände, nachdem sie ihre aus Funk und Fernsehen bekannten Schlager gehört hatten. Die Ausharrenden nötigten der Band noch eine weitere Zugabe ab, bei der zunächst eine der unnötigsten Coverversionen, die METALLICA jemals aufgenommen haben, nämlich Stone Cold Crazy zum Einsatz kam (dabei dürften sie ja in ein paar anderen Städten das mega-geniale Am I Evil? ausgepackt haben – warum nicht bei uns? Protest! Und ich wär ja eh schon mit Blitzkrieg, Beadfan oder Last Caress mehr als zufrieden gewesen). Andererseits konnte man nach dem, was der reguläre Teil so alles beinhaltet hatte, eh nicht ernsthaft noch weitere Ansprüche stellen. Den endgültigen Schlusspunkt setzte das der „Metallica-Familie“ gewidmete Seek And Destroy, das nochmal die Massen zum heftigen Mitgrölen animierte. Dann war's vorbei, das Konzert, das alle Hoffnungen bei weitem getoppt hatte (man bedenke: von 18 gespielten Stücken waren 11 von den ersten 3 Scheiben und nur ein einziges aus der Zeit nach dem schwarzen Album) und nach dem man mit glücklichem Grinsen zur U-Bahn, oder wohin auch immer, trotten durfte. Netterweise setzte der für den ganzen Nachmittag und Abend angekündigte Regen erst jetzt ein.

Fazit: Einfach super! Jetzt noch eine ordentliche Headliner-Tour von HEAVEN & HELL (die für meine Begriffe auch gern unter dem gebührenden Namen Black Sabbath rennen kann) und nach Jahrhunderten wieder ein brauchbares METALLICA-Album, dann hab ich endgültig nix mehr auszusetzen.

 

story © Gunnar