2010-04-04 DE – Oberhausen - Turbinenhalle

Exciter - Flotsam & Jetsam - Omen - Living Death - Exumer - Savage Grace - Angel Dust - Witchburner - Eure Erben - Neurasthenia

[Psycho] Keine Ahnung, ob sich da jemand zum Thema "Kulturmetropole Europas 2010" endlich mal Gedanken gemacht hat, aber die Idee, so ein Festival auf die Beine zu stellen, war in jedem Fall eine richtig gute! Momentan gibt es ja wirklich genug alte Hasen, die es noch mal wissen wollen, so dass man da beinahe schon von der Qual der Wahl sprechen kann...
[Dajana] Eben nicht! Die alternative Musikszene (also nicht nur der Metal-Bereich) wurde bei der "Kulturmetropole Europas 2010" komplett außen vorgelassen, obwohl gerade diese Szene ja im Pott eine prägnante Stellung einnimmt. Und genau deswegen ist der Rock Palast GmbH genau diese Idee gekommen…
[Psycho] Neben dem regulären Festivalbetrieb wurde das ganze noch mit einem sehr passablen Metal-Market kombiniert, so dass neben der Nackenmuskulatur auch der Geldbeutel nicht geschont wurde. Obwohl: die Grabbelkisten mit den 5-Euro-Shirts waren absolut genial, so was würde ich mir auch mal bei C&A wünschen… ;-)
Eigentlich sollte das Kutten-Revival-Festival, äh, 'tschuldigung, natürlich das METROPOLE RUHR FESTIVAL um 13:00 anfangen, rein ging es allerdings erst mit einer halben Stunde Verspätung, der man von Seiten der Organisation dann den gesamten Tag hinterherlief. Ich kann nicht genau sagen, wo man die Zeit wieder reingeholt hat, aber kurz vor Mitternacht war jedenfalls wie geplant Feierabend. Nach über 10 Stunden hat es dann aber auch erst mal gereicht.

:: Fotos ::

[Psycho] Die erste Band des Tages waren :: NEURASTHENIA :: aus Italien. Die klangen zwar auch nach Old School Thrash, dürften aber sämtlichen Anwesenden total unbekannt gewesen sein.
[Dajana] Zumal sie vom Alter her alles andere als Old School waren. Sie frönen eher jener besagten Epoche…
[Psycho] Macht aber nix, da so früh eh noch so gut wie niemand da war.
Bei harten Bands aus dem Stiefelland bin ich ja immer skeptisch, aber das Quartett machte seine Sache recht ordentlich. Vermutlich hatten sich die Jungs gesagt: wir haben eh keine Chance, also nutzen wir die! – Was dann insgesamt ganz gut gelang. Ein solider Beginn des Festivals, und ich will auch so lustiger Wikinger-Hörner auf meiner Kutte haben, wie sie der Sänger sein eigen nannte…

[Psycho] Als nächstes beehrten uns die ehemaligen Darkness, die jetzt unter :: EURE ERBEN :: firmieren. Wie der Name sind jetzt auch die Texte in Deutsch, musikalisch handelt es sich aber immer noch um den simplen Rumpel-Thrash der Anfangstage, der bei mir schon früher meist nur zu ungläubigem Kopfschütteln geführt oder für Gelächter gesorgt hat. Ich habe auch nichts gegen politisch korrekte Texte – ist ja schön, wenn mal jemand was zu sagen hat – aber doch bitte nicht so platt wie hier!
Also verbuchen wir das lieber schnell unter der Rubrik "überflüssig", daran ändert auch die geschmackvolle Shirt-Wahl des Leadgitarristen (Celtic Frost – Emperor's Return) nichts.

[Psycho] Leider ging es ähnlich niveauvoll weiter, denn auch :: WITCHBURNER :: konnten mich nicht überzeugen. Hier hatte ich ja schon im Vorfeld den Verdacht, dass die Band sich als Fehlbesetzung herausstellen würde, und so war es dann leider auch. Dafür geht mir der Sound einfach zu sehr in die BM-Ecke, auch wenn man sich selber immer als Thrash verkauft.
Aber ok, für's Booking konnten WITCHBURNER natürlich nichts, aber mir war die Show auch einfach zu peinlich, und Songwriting sowie der Gesang gingen mal gar nicht. Und für diese Aspekte sehe ich die Band schon in der Verantwortung! Vielleicht auf einem anderen Festival, aber hier und heute war das nichts.

[Psycho] :: ANGEL DUST :: waren als letzte Band ins Line Up gerutscht, und zwar als das Billing eigentlich schon feststand. Anhand der beteiligten Bands und der generellen Zielrichtung des Festivals hätte es da eigentlich sehr einfach möglich sein müssen, herauszufinden, wie man sein Set am besten aufbauen sollte.
Diese Gedanken hatten sich ANGEL DUST jedoch offensichtlich nicht gemacht, denn anstatt den Schwerpunkt der Songs auf die (gute) Into The Dark Park-Scheibe zu legen, spielte die Band in der Mehrheit eher neuere Songs. Sorry Leute, aber das wollte heute niemand hören und hat folglich auch keinen Spaß gemacht. Was zudem noch "optimal" durch die langweilige Perfomance unterstützt wurde. Klassenziel verfehlt, setzen, 6…

[Psycho] Nachdem wir uns bisher nur mit europäischen Bands beschäftigen durften, enterten nun mit :: SAVAGE GRACE :: die erste Band aus Übersee die Bühne. Ich sag's ja als Europäer eigentlich nur ungern, aber am Stage-Acting und der vermittelten Spielfreude dürfen sich alle bisher gesehenen Bands gerne eine dicke Scheibe abschneiden. Das war ein meilenweiter Unterschied (den man in ähnlicher Form auch noch im weiteren Verlauf des Abends registrieren konnte, s.u.). Das ist allerdings insofern paradox, als das die Truppe um Christian Logue sich hauptsächlich aus Mitgliedern von Roxxcalibur zusammensetzte…
SAVAGE GRACE überzeugten jedenfalls mit einem engagierten Auftritt und einer gelungenen Songauswahl (u.a. Into The Fire, Master Of Disguise und Dominatress), und endlich durfte man auch den Gesang mal ungestraft so nennen. Lediglich der Abschlusstrack Exciter (Priest-Cover) kam etwas wackelig rüber, ansonsten war dieser Auftritt klar das erste echte Highlight des Abends (bzw. noch Nachmittags).

[Psycho] Auf :: EXUMER :: waren viele Leute doch sehr gespannt; die Band war in den 80ern absolut kultig und dabei immer polarisierend, aber wie würde es heute sein? Nun, im Prinzip hat sich daran nichts geändert. Ich persönlich fand die Show entlarvend: die Band wirkte uninspiriert und überhaupt nicht eingespielt, die Songs entpuppten sich live als langweiliger 08/15-Thrash, und Sänger Mem von Stein nervte mich kolossal, sowohl mit seinem hardcore-lastigen Gesang als auch seinem völlig überzogenen Rumgehopse.
Fairer Weise muss man aber sagen, dass EXUMER bei vielen Leute sehr gut ankamen, die das Gebotene also wohl ganz anders interpretiert haben dürften. Auch bei den anwesenden NH-Mitarbeitern nebst Anhang gingen die Meinungen dazu kontrovers auseinander. Aber wer weiß, vielleicht ist das alles nur Marketing-Kalkül, um im Gespräch zu bleiben? In diesem Fall könnte die Rechnung durchaus aufgehen…

[Psycho] Auch bei :: LIVING DEATH :: stellten sich im Vorfeld einige Fragen, vor allem ob Sänger Toto wie auf den ersten Platten extrem nervig kreischen oder es eher wie auf den letzteren Veröffentlichungen mit einer Art Gesang versuchen würde. Eine Frage, die sich im Nachhinein als völlig belanglos erwies, denn LIVING DEATH legten einen dermaßen unmotivierten Auftritt hin, dass der Gesang wirklich zur Nebensache verkam.
Über welche technischen Möglichkeiten diese Band auch heute noch verfügt, konnte sie selbst mit diesem Auftritt nicht verbergen, aber die reichlich missglückte Songauswahl, ein im Prinzip nicht vorhandenes Stageacting sowie das Baldrian-ähnliche Charisma des Frontmanns zerstörten sofort jeden Ansatz einer gelungenen Show und auch evtl. aufkommender Stimmung im Publikum. Damit ergab sich die obskure Situation, dass einer der spielerisch besten Auftritte des Abends zugleich auch einer der schlechtesten insgesamt war…

[Psycho] Zum Glück hatten die heiß ersehnten :: OMEN :: keine Probleme damit, das Publikum wieder auf Touren zu bringen, denn hier stimmten Engagement und Songauswahl! Dabei waren durchaus einige Handicaps zu überwinden. Größtes Problem war sicherlich, dass sich Kenny Powell zwei Tage vor dem Auftritt den kleinen Finger der linken Hand gebrochen hatte. Er ließ es sich aber trotz sichtbarer Schmerzen nicht nehmen, für sein Publikum auf die Bühne zu gehen und ordentlich abzurocken. Herzlichen Dank dafür und gute Besserung, Kenny!
Leider war auch der Sound nicht der allerbeste (mit dem Problem hatten übrigens alle Bands zu kämpfen), so dass ich den Opener Termination tatsächlich erst am Refrain erkennen konnte. Zum Glück hat sich die Band mit George Call einen richtig guten Sänger geangelt, der mit seiner leicht nach Bruce Dickinson klingenden Stimme sehr gut zum OMEN-Material passt. Lustig war hingegen, dass auf der Bühne bei fast jeder Ansage der Geist des Heavy Metal beschworen wurde, die vier Musiker aber allesamt nach allem möglichen aussahen, nur nicht nach Metal ;)
Machte aber nichts, denn die Musik war es umso mehr und der Gig einfach nur geil, aber leider somit auch viel zu schnell vorbei. Schade, dass man ausgerechnet mein Lieblingsstück The Curse ziemlich versemmelt hat; wie sich auch überhaupt der Eindruck festigte, dass die Band für widrigere Umstände einfach (noch) nicht über genügend gemeinsame Routine verfügt. Das wurde aber durch kompromisslose Spielfreude wieder mehr als wettgemacht, und Klassiker wie Teeth Of The Hydra, Into The Arena oder Battle Cry sorgten dann für den Rest.
Der deutliche Klassenunterschied zu allen anderen bis dato aufgetretenen Bands sollte diesen übrigens mal stark zu denken geben. Nicht jede Reunion macht wirklich Sinn…

[Psycho] Dieses Problem hatten :: FLOTSAM & JETSAM :: immerhin nicht, denn seit ihrem Debüt im Jahre 1986 war die Band immer mehr oder weniger präsent. Das zeigte sich dann auch deutlich auf der Bühne, denn die Arizona-Boys waren mit Abstand die routinierteste und spielerisch sicherste Band des Abends.
Im Vorfeld des Festivals war bereits viel über die Running Order diskutiert worden. OMEN sollten eigentlich erst viel früher spielen, hatten aber wohl (zu Recht) dagegen interveniert und durften somit als Drittletzte ran. FLOTSAM & JETSAM hatten wiederum viele Besucher eigentlich als Headliner auf der Liste, aber dieser Slot war ja nun bekanntermaßen an EXCITER gegangen.
FLOTSAM zeigten zunächst, dass sie ebenfalls sehr gut auf die Pole Position gepasst hätten, denn mit dem Klassiker Doomsday For The Deceiver erwischten sie einen optimalen Einstieg. Die Band agierte sehr spielfreudig und dabei sehr tight, definitiver Mittelpunkt war aber ganz klar Sänger Eric A.K., der ständig alle Blicke auf sich zog und ganz "nebenbei" auch noch eine absolut fehlerfreie und intensive Gesangsleistung hinlegte. Respekt!
Leider beging die Band aber ebenfalls den Fehler, zu viele neuere Songs in die Setlist einzubauen. Das mag aus Sicht der Musiker verständlich sein, aber es ist fast schon beschämend, wenn man die Unterschiede in der Qualität zwischen den alten und neuen Songs hört. So stellten diese Passagen im Set immer wieder einen kleinen Bruch dar, der eigentlich nicht nötig gewesen wäre.
Immerhin wurden wir aber mehr als ausreichend mit Live-Hämmern wie Escape From Within, I Live, You Die, Hammerhead, N.E. Terror, Iron Tears oder der völlig genialen Version von No Place For Disgrace (als Rausschmeißer) verwöhnt. Tolle Show, die sogar noch besser war, als ich sie mir im Vorfeld aufgrund meiner bereits hohen Erwartungshaltung erhofft hatte.

[Psycho] Würden :: EXCITER :: gegen diesen bisher besten Auftritt gegenhalten und noch mal eins draufsetzen können? Zumal der letzte von mir gesehene Auftritt auf dem RH-Festival 2008 ganz nett, aber sicherlich nicht Headliner-verdächtig war. Nun, offensichtlich hatte die Band bereits den gesamten Tag ungeduldig wartend verbracht und war jetzt so richtig heiß. Denn ich habe selten eine Band erlebt, die von Anfang so krass klar machte, dass sie 200% Bock auf METAL hatte.
[Dajana] Jawoll! Denn die EXCITER Jungs ließen es sich nicht nehmen und sprangen im Fotograben umher, um FLOTSAM & JETSAM anzufeuern und hatten schon dabei eine Menge Spaß ;)
[Psycho] Und genau das bekam das Publikum dann auch: eine eigentlich vor Klischees strotzende Show einer Band mit dem nicht gerade variabelsten Songmaterial im Biz, deren überbordende Spielfreude und Hingabe an die Musik aber in einer dermaßen mächtigen Woge von der Bühne schwappte, dass sich kein echter Metaller dieser Leidenschaft widersetzen konnte.
Somit hatten EXCITER auch keine Mühe, dass nach knapp 10 Stunden schon etwas müde Publikum noch mal so richtig zu motivieren. Vielmehr entpuppten sich die Kanadier in der Tat als würdiger Headliner, da sie einfach die meisten Reaktionen der Anwesenden erhielten und hier die meisten Leute mitgingen, die Refrains mitgröhlten etc.
Der mit Klassikern der Speed Metal-Geschichte gespickte Set (u.a. mit Long Live The Loud, Heavy Metal Maniac, I Am The Beast, Pounding Metal und Victims Of Sacrifice, wenn ich mich recht entsinne) passte aber auch einfach hervorragend zum Geist des Festivals. Sänger Kenny Winter wurde trotz deutlich merkbarer Atemnot nicht müde darin, in seiner charakteristischen Art über die Bühne zu wackeln und die Leute immer wieder neu anzufeuern, während seine Kollegen die Halle fachgerecht in Schutt und Asche zerlegten. Geil!
EXCITER durften daher verdient als einzige Band des Abends eine Zugabe spielen und beschlossen das Festival angemessen mit Violence & Force. Besser geht’s wirklich nicht mehr…

[Psycho] Das war ein langer Tag, der, musikalisch betrachtet, relativ schwach begann, sich aber dann immer mehr steigerte. Trotzdem denke ich, dass 10 Bands einfach zu viel waren, 6-8 hätten es auf jeden Fall auch getan. Vielleicht hätte man dann auch die permanenten Soundprobleme besser in den Griff bekommen, denn in den meisten Teilen der Halle musste man doch einen ziemlichen Soundbrei über sich ergehen lassen.
Das Bon-System ist zwar an sich lästig, funktionierte hier aber dank vernünftiger Preisgestaltung recht gut. Bei der Wiederauflage sollten die Organisatoren aber unbedingt auf eine Alternative bei der Essensversorgung achten: heiße Bockwurst und kalte Schnitzel in allen Ehren, aber für Vegetarier war da nichts dabei. Verschärft wurde dieser Umstand durch die Tatsache, dass man pünktlich zur Abendessen-Zeit die Halle (wohl aufgrund polizeilicher Anordnung) nicht mehr verlassen durfte, oder aber dabei sein Eintrittsrecht verwirkte. So konnte man also auch nicht auf irgendwelche in der Umgebung liegenden Alternativen ausweichen. Keine Ahnung, ob dieser Umstand bereits vorher bekannt war oder sich erst im Laufe des Abends ergeben hat, aber eine rechtzeitige Ansage von der Bühne aus wäre sicherlich für diejenigen hilfreich gewesen, die z.B. noch warme Klamotten oder andere wichtige Dinge im Auto hatten, an diese aber so nicht mehr rankamen.
Bis auf diese Schwächen war das Festival aber insgesamt recht gut organisiert, die Security nett, das Ambiente passend, und vor allem hat es einfach Spaß gemacht! Dann also bis zum nächsten Mal… ;-)
[Dajana] Denn ein nächstes Mal wird es ganz bestimmt geben. Der Organisator des Festivals Martin ließ es sich nicht nehmen, vor EXCITER eine zweite Ausgabe anzukündigen und die bereits verpflichteten Bands zu nennen, die da wären: Accu§er, Desaster, Warrant und Necronomicon.

 

story • Psycho & pics © Dajana