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2014-07-18 DE – Gelsenkirchen - Amphitheater
 

Nach 2009, damals mit Neal Morse, zum zweiten Mal das Traumtheater im Amphitheater. Und das bei besten Voraussetzungen für ein denkwürdiges Konzerterlebnis: Ein heißer Freitagabend mit reichlich Sonne und entsprechendem Sommerfeeling, entspannter Anreise und dazu eine Vollbedienung der Prog-Großmeister :: DREAM THEATER :: in der schönen Location in Gelsenkirchen, dessen Ambiente wohl bekannt und gleichermaßen geschätzt ist vom alljährlichen Rock Hard Festival.

So dachten aber unterm Strich nicht allzu viele, die Besucherzahl fiel recht enttäuschend aus, da das Halbrund grob geschätzt höchstens zu einem Drittel gefüllt war, was etwa 2000-2500 Besuchern entspricht. Ob es geschickt war, kurz nach der regulären Tour im Februar (u.a. Auftritt in Düsseldorf) kein halbes Jahr später für die Open Air Termine ohne neues Material und haargenau gleicher Setlist (und Anordnung) zurückzukehren, sei dahingestellt. Fakt ist, dass auch DREAM THEATER Fans nicht Geld drucken können und scheinbar übersättigt scheinen (wobei im Nachhinein etwa 50 Euro für 2 ¾ Stunden Netto-Spielzeit okay waren, die Merch-Preise allerdings jenseits von Böse angesiedelt), zudem vermutlich auch die Ferienzeit zu Buche schlägt. Immerhin konnten die Anwesenden so ihren Helden ganz nahe kommen bzw. sich wahlweise auf die Stufen hinsetzen und recht entspannt das Konzert verfolgen. Wie bei der Tour lieferten die Awake- und Metropolis Pt. 2- Scenes From A Memory- Special Sets mit je fünf respektive vier Songs einen Extra-Anreiz für Liebhaber dieser formidablen Alben. Der aktuelle starke selbstbetitelte Release Dream Theater war ebenfalls mit fünf Stücken vertreten, der Einstieg gewählt mit dem Intro False Awakening Suite inklusive Rückblende auf alle bisherigen Alben über die Videoleinwand gefolgt vom ruppigen Opener The Enemy Inside. Später wurden vom „Schwarzen Album“ noch mein persönliches Highlight The Looking Glass und der Longtrack Illumination Theory aufgeführt. Mit dem gefühlvollen (13-minütigen) Trial Of Tears fand gar ein Stück von Falling Into Infinity den Weg in die Setlist während Breaking All Illusions (toll!) vom vorletzten Dreher den Schlusspunkt vor einer 15-minütigen Pause setzte. Es war zu erahnen, dass das erst der Auftakt zu weiteren Großtaten war. Wohlgemerkt, nachdem bereits etwa 1 ¼ Stunde Spielzeit vergangen war und wieder mal die Ungläubigkeit ob der unglaublichen Tightness und Spieltechnik der Musiker allen ins Gesicht geschrieben stand. Dazu zählt, dass sich der „Neue“ (der wahrscheinlich ewig der Neue bleiben wird) am imposanten Schlagzeug, Mike Mangini, immer besser in die Band einfindet und sich sympathisch locker und song-dienlich nach und nach in die Herzen der Fans trommelt, sich zwischenzeitlich aber auch mit einem unterhaltsamen Drum-Solo (zwischen Enigma Machine und Along For The Ride platziert) exponiert auszeichnen durfte.

Während der Pause wurde die Videoleinwand genutzt, um witzige und erstaunliche (You Tube) Clips von Anhängern und Musikern zu zeigen, die DREAM THEATER Songs nachspielten, teilweise die Mitglieder nachahmten und richtiggehend aufs Korn nahmen. Nicht nur damit bewies die Band Selbstironie, Enigma Machine im regulären Set wurde mit einem Schwarz-Weiß-Videoclip untermalt, in dem sich die fünf Protagonisten als Comic-Figuren in einer Jump&Run-Welt wiederfanden. Diese Ansätze erinnerten schon frappierend an die Art und Weise, wie Rush ihre Live-Auftritte gestalten, was ja bei Weitem nicht das Schlechteste ist. Wobei während Rush beim Bühnenaufbau im Vergleich richtig klotzen, ist jener beim Theater der Träume doch relativ spartanisch und unspektakulär gehalten.

Oberpünktlich (bereits zu Anfang war man auf die Minute genau um 20 Uhr getimt gestartet) nach 15 Minuten wurde die Show fulminant fortgesetzt – mit dem kraftvollen, im weiteren Verlauf gleichermaßen dramatischen The Mirror läutete man das erwähnte Awake-Feature ein, gefolgt vom coolen Lie. Yeah, das zusammen mit der nun immer wirkungsvoller werdenden Lightshow brachte die Leute auf Touren. Es war merklich zu spüren, dass die alten Klassiker, wie es oft so ist, leichter ihren Weg übers Gehör in den Körper fanden (Scarred, das atmosphärische Space-Dye Vest). Dieser Trend sollte sich bis zum Ende des Konzerts fortsetzen und in der Zugabe ihren Höhepunkt finden. Zum Schluss war die Stimmung für ein DREAM THEATER Konzert fast enthusiastisch inklusive Mitklatschen und lautem Mitsingen. Nun, mit fantastisch dargebotenen Metropolis Pt.2 Göttergaben wie Strange Déjà Vu, The Dance Of Eternity und dem finalen Finally Free hatte sich die Band diese Resonanz auch redlich erarbeitet und verdient. Alle fünf Musiker legten zu ihren spieltechnischen Fähigkeiten (ich habe zwei Verspieler gezählt… - kleiner Scherz) eine für ihre Verhältnisse hohe Spielfreude an den Tag. Tastenwizard Jordan Rudess mit seinen Gimmicks duellierte sich gekonnt mit dem so lässig wie irgendwas zockenden Gitarrenwunder John Petrucci, dass es eine helle Freude war. Sänger James LaBrie war in guter Verfassung (bei dem nur manchmal die ganz hohen Töne strapazierten), dazu John Myung, der introvertierte exzellente Tieftöner, der das Ganze mit seinen genialen passgenauen Bassläufen unterfütterte. In dieser Form (und das sei an dieser Stelle noch erwähnt: diesem sehr gutem differenziertem Sound) können DREAM THEATER immer gerne wiederkommen, und wenn es wieder mit der gleichen Setlist ist!

Noch einige Worte zur Orga: Dass bei den Temperaturen nicht ein Schluck Wasser ins Amphitheater mitgebracht werden durfte, geschenkt; ein übereifriger Ordner schoss jedoch den Vogel ab. Nicht nur dass er einen Headbanger maßregelte, bei diesen dichten Menschenmassen doch etwas ruhiger zu machen (!), nein, dann wurde gar irgendwann, durch grob mit der Hand auf die Kamera/Handy drücken, das Fotografieren verboten, egal ob mit Blitz oder ohne… Tsts, Sachen gibt’s!

Setlist: False Awakening Suite (Intro), The Enemy Inside, The Shattered Fortress, On The Backs Of Angels, The Looking Glass, Trial Of Tears, Enigma Machine, Along For The Ride, Breaking All Illusions // The Mirror, Lie, Lifting Shadows Off A Dream, Scarred, Space-Dye Vest, Illumination Theory // Overture 1928, Strange Déjà Vu, The Dance Of Eternity, Finally Free

 

story © Terry