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2006-6-30 – 07-02 FI – Helsinki - Kaisaniemi

Seit Wochen freue ich mich schon auf dieses Metal-Spektakel im Herzen Helsinkis und ganz besonders auf ein paar bestimmte Bands. Natürlich werde ich mich auch jenen Bands widmen, von denen ich noch nicht einmal den Namen gehört habe.
Das ist das schöne an einem Festival mit mehr als einer Bühne: man kriegt die geballte Ladung. Wenn einem die eine Band nicht zusagt, genießt man einfach die andere auf der anderen Bühne.
Wenn gerade weniger Interessantes auf der Hauptbühne gespielt wird, dann setzt man sich einfach mal hin, besieht sich CD- und Merch-Stände oder holt sich einen Kaffee um einen Euro. Alternativ dazu kann man sich auch mal mit Gottesanbeterinnen beschäftigen :)

:: Fotos :: © Anssi :: José Carlos Santos » José ::

Ich bitte schon jetzt um Nachsicht, dass der Bericht evtl. zu lange wird, aber 3 Tage geballte Festival-Ladung kann man nicht in 2 Seiten zusammenfassen.

Ein paar Erweiterungen bzw. Verbesserungen im Vergleich zum Vorjahr, fallen mir auf: u.a. gibt es diesmal sogar einen eigenen Lebensmittel-Anhänger einer finnischen Lebensmittel-Kette.
Und besagter Kaffee-Stand war besonders an Tag 2 wertvoll, nach anstrengender so gut wie tagheller Nacht, und definitiv zu viel Salmiakki, hehe. (Igitt, wie konnte ich das runter bringen?!)
Weiters gibt es neben allerhand Band-Shirts auch eigene Tuska-Socken käuflich zu erwerben. Man kann's auch übertreiben.
Wie nicht anders erwartet schleppen sich die Leute selbst auf Krücken noch aufs TUSKA OPEN AIR. Nomen est omen.

FREITAG 30. Juni

IMPALED NAZARENE beginnen pünktlich und schreien das Tuska-Festival gebührend mit einem kräftigen Suomi Finland Perkele ein. Das scheint sogar das Wetter zu beeindrucken, denn sobald die ersten Takte ertönen, verzieht sich die Sonne hinter einer größeren Wolke und kommt so bald nicht mehr hervor. Der Platz vor der Hauptbühne ist schon recht gut gefüllt bzw. stehen die Leute gut verteilt umher. Die ersten paar Reihen beginnen zwar langsam dafür intensiv sich die Rübe weg zu bangen, und weiter hinten post man fleißig mit der Luftgitarre. Ab der Hälfte jedoch lichten sich die Reihen weiter hinten. Man geht doch lieber einen trinken. IMPALED NAZARENE schließen ihre Darbietung mit angepisst klingenden Worten – im positiven Sinne angepisst natürlich – und schaffen es tatsächlich, kein einziges Mal irgendwie ausfällig geworden zu sein. Ich bin beinahe enttäuscht, haha! (Ernsthaft, wir wissen wohl alle warum...)

Gleich im Anschluss spielen MOKOMA auf der Sue Bühne und FREEDOM CALL auf der Inferno Bühne. Da ich nun die Gelegenheit habe, MOKOMA endlich auch live zu erleben, begebe ich mich zunächst dorthin. Die Band wird bereits mit großem Applaus und Freudenrufen empfangen, während das Intro aus der Konserve dudelt: Ringelspielmusik mit Radetzkymarsch, haha. (Wo bin ich?)
Der Sound klingt zunächst noch etwas verwaschen, aber das stört die Fans nicht im Geringsten, denn anders als bei Impnaz stehen die Leute hier dichter und bangen vom ersten Song weg mit!
Ein Blick um mich herum bestätigt mir, dass diese Band im eigenen Land wirklich einen Namen hat. Der zweite Song bekommt extra Applaus und beim dritten finden gar erste Tänze statt. Bin beeindruckt. Trotzdem mir MOKOMA sehr gut gefallen, schaue ich mal nach FREEDOM CALL, was dort los ist und wie die Lage aussieht. Nette Mitsing-Melodien tönen mir entgegen, unaufdringlich, leicht, fast schon entspannend. Allzu viele Leute haben sich unter dem Sternenzeltdach zwar nicht eingefunden, aber die, die dort sind, freuen sich wohl wirklich über den Auftritt ihrer Lieblinge.
Ein wenig mehr Arbeit am Bass wäre eventuell nicht schlecht, aber andererseits wäre ich wohl auch zu faul dazu, wenn ich mit langärmeligem Shirt bei vollem Scheinwerferlicht und grundsätzlich ca. 27°C "Außentemperatur" auch noch arbeiten müsste. Live singen können die Burschen. Die ersten rosa Hüte und Herz-Brillen werden im Publikum geschwenkt – warum auch immer... –, die Musiker fordern das Publikum auf, mitzusingen. Das klappt allerdings nicht so recht.

Nun, so nett es auch ist, ich gehe trotzdem zurück zu MOKOMA. Ein paar Humppa-Rufe dazwischen und Gelächter zeigen, dass das dort durchaus als Party empfunden wird und nicht in erster Linie als Band-Werbung. Zugabe gibt es leider keine – dazu ist der Zeitplan zu strikt.

ANATHEMA stehen nun auf der Hauptbühne auf dem Programm. Völlig falsche Zeit, meiner Meinung nach: 16:30 bei 27°C mit der geballten Kraft der Sonne im Gesicht – da will bei mir einfach keine Laune für die Briten aufkommen. Noch dazu nach dem dynamischen Auftritt Mokomas fällt es schwer, sich auf ANATHEMA einzustellen – der Kontrast ist schon gewaltig. Allzu schnell tummeln sich die Leute auch nicht vor die Hauptbühne; man lungert lieber so rum, trinkt was, wartet unter den Zeltdächern der beiden anderen Bühnen auf die nächsten Bands. Nun, ich begebe mich vor den Eingang, um mich unter einen Schatten spendenden Baum in die Wiese zu setzen. Hören kann ich ANATHEMA auch von dort aus.

Das war wohl ein mittelschwerer Fehler. Denn es dauert keine 10 Minuten, bis ich ins Visier einer kirchlich engagierten Person genommen werde, die dann zielstrebig auf mich zukommt und tatsächlich eine Diskussion über Gott und die Bibel beginnt. Wie dem auch sei, ich erspare euch die amüsanten Details und verschwinde wieder hinein, aufs Gelände.

Weiter geht's im Programm mit DEATHSTARS auf der Sue Stage bzw. SUBURBAN TRIBE auf der Inferno Stage.
DEATHSTARS faszinieren mich dahingehend, dass sie offensichtlich alle Sorten von Metalfans begeistern können, und zum heftigen Headbangen bringen. Das Zelt ist gut gefüllt, und die Wiese dahinter übervölkert. Ich bin erstaunt. Da soll sich nochmal wer über diese Band lustig machen :P alles nur Image-Pflege, vermute ich, denn das gemischte Publikum rockt ernsthaft ausnahmslos mit. Persönlich reißen mich die DEATHSTARS nicht vom Hocker, die Federboa hätte der gute Mann auch ruhig eingepackt lassen können. Der Sound ist sehr klar. Die Stimme wird auch bestens übertragen. Ab und zu verhaut man das eine oder andere Riff bzw. die eine oder andere Gesangspassage, aber schließlich handelt es sich um eine Live-Performance. Nun gut.

Meine Beine tragen mich unwillkürlich zur Inferno Bühne, wo mir ein völlig anderes Klangerlebnis entgegenschallt: SUBURBAN TRIBE. Allzu viele Leute haben sich nicht eingefunden, aber die Anwesenden sind wirklich Fans und unterstützen die Band entsprechend mit Applaus, und allgemeiner Hingabe. Hier herrscht gute Laune! Es gibt sogar zwei Zugaben.
Der Sound ist einwandfrei, die Musik groovt ordentlich. Ein bisschen HipHop-Gehopse kommt im Publikum auf, sieht fast schon nach einstudierter Choreographie aus.
Insgesamt finde ich den Auftritt sehr gelungen.

Auf der Hauptbühne werden inzwischen SONATA ARCTICA eingeklatscht. Vor mir richtet sich eine Menschenwand auf. Was zum...? Hilfe, diese Leute stehen alle an den Dixies an! Die Ärmsten…
Der Platz vor der Hauptbühne ist sehr stark gefüllt, sogar an den Seiten hat man Schwierigkeiten sich halbwegs bequem zu positionieren. Für meinen Geschmack haben SONATA ARCTICA merklich an Qualität eingebüßt – sowohl musikalisch als auch live, besonders was Tony Kakko als Sänger angeht. Aber vielleicht ist auf der heimischen Bühne alles anders – ich lasse mich einfach überraschen. Das Bühnenbild sieht übrigens sehr ansprechend aus. Nun, Tony Kakko kann live leider seine Puste nicht einteilen, weshalb ihm das Vers-Ende (mitunter auch der Anfang) öfters entgleitet. Schwach.
Die Instrumentalisten und auch Pyrotechniker machen ihren Job auf einer Skala von bestens bis OK: Jani Liimatainen bringt seine Parts gekonnt rüber, der Keyboarder legt sich tüchtig ins Zeug, von den anderen merkt man nicht viel, und die Pyroshow-Einlagen sind zeitlich perfekt platziert, und zwar auf den Trommelschlag genau. Was bin ich froh, Ohrstöpsel zu tragen, sonst wäre ich bei den Knalleffekten regelmäßig für kurze Zeit richtig taub gewesen :-/ Schön, ich habe also die Bestätigung, dass SONATA ARCTICA stimmlich wohl auch in heimischen Gefilden nicht mehr so überragend sind. Ein bisschen Haareschütteln, Mikro ins Publikum halten und verkrampft Die! Die! Die! kreischen erhöht die Qualität auch nicht wirklich. Irgendwo im Getümmel werden Rentier-Fahnen geschwungen.

Mittlerweile teilen sich ARCH ENEMY und WINTERSUN die Aufmerksamkeit der Fans. Bei ARCH ENEMY ist die Hölle los. Das Zelt ist bis zum Rand hin dicht bevölkert und in der Sonne außerhalb des überdachten Bereiches drängen sich auch noch sehr viele Zuhörer und Zuseher. Die Fans gehen voll ab und die Security hat erstmals wirklich was zu tun. Angela Gossow heizt der Truppe hinter ihr und den Fans vor ihr ordentlich ein, was die Euphorie noch weiter steigert und die Security schwitzen lässt. Tolle Show – da geht was weiter!

Ich quetsche mich mühevoll durch die ausrastende Menge um einen Abstecher zu WINTERSUN zu machen. Auf der Sue Stage geht es nicht minder ausgelassen zu: Jari Mäenpää ist voll in seinem Element, legt gerade ein Mördersolo hin und ich frage mich immer intensiver, warum diese beiden Bands nicht auf der Hauptbühne spielen. Gegen Ende startet eine mächtige Nummer im Dreiviertel-Takt – atmosphärische Keyboardklänge schwirren durch die Luft, zusammen mit schönen Gitarren-Leads und einem weiteren tollen Solo. WINTERSUN haben live einfach was drauf.

Zurück zu ARCH ENEMY: Ich höre noch das letzte Stück, ein typisches ARCH ENEMY-Brett mit Abschieds-Solo, das zwar etwas unnötig in die Länge gezogen wird, aber trotzdem ziemlich mächtig bleibt. Die Stimmung ist in etwa diese: sie kutschierten ihre Fans in einem rasanten Gefährt durch die Gegend und bringen sie jetzt zur nächsten Haltestelle..... oder so ;-) die geile Party ist vorbei, alle sind euphorisch und wollen mehr. Zugabe gibt’s leider keine.

Als Höhepunkt und zugleich letzte Band des ersten Festival-Tages spielen SISTERS OF MERCY auf der Hauptbühne. Da ich mit dieser Band eigentlich nichts anfangen kann, mache ich mich lieber Richtung Hotel auf, um mich ein wenig frisch zu machen für den späteren Abend. Mein Ziel heißt Nosturi, in dessen Räumlichkeiten SCORCHED EARTH TACTICS, ENOCHIAN CRESCENT, SILENTIUM und KORPIKLAANI spielen werden.
Wie sich heraus stellt, dauert es noch sehr lange bis ich endlich ein paar lausige Stunden Schlaf finde.

SAMSTAG 1. Juli

STAM1NA eröffnen den zweiten Festivaltag bereits um 13:45, und zwar auf der Hauptbühne. Allzu viele Leute sind noch nicht da, und insgesamt scheinen mir die Leute noch sehr, sehr müde zu sein. Ich bilde da keine Ausnahme, aber da ich diese Band vermutlich nicht mehr so bald sehen werde, will ich sie keinesfalls verpassen, zumal mir ein paar Songs bekannt sind und mir diese auch ausgesprochen gut gefallen. STAM1NA spielen groovigen Metal typisch finnischer Färbung (setzen sich stilistisch also zwischen mindestens drei Stühle) mit einem gewissen Extra, das sie dann doch irgendwie „anders“ macht. Die Texte sind alle auf Finnisch. Langsam wacht die kleine, versammelte Gemeinde auf und lässt sich von der sehr motiviert wirkenden Band mitreißen. Die Darbietung klingt insgesamt recht gekonnt und tight; die Stimme klingt auch live überzeugend.

Danach zeigen PAIN CONFESSOR auf der Sue Stage und APRIL auf der Inferno Stage was sie können. Ich bin total von den Socken! PAIN CONFESSOR sind mir bisher nicht einmal namentlich untergekommen, was beinahe unverzeihlich ist. Sowas von einem geilen Melodic Deathmetal-Brett, trotz des obligatorischen Keyboards! Druckvoller Sound, absolut eingängige Gitarrenläufe, griffige Riffs und auch das Bassspiel passt, dazu eine sehr gute stimmliche Darbietung sowohl vom Hauptsänger als auch vom Gitarristen – was will man mehr! Wenn ich sie am Vorabend in angeheitertem Zustand im Nosturi gehört hätte, wäre ich vermutlich spontan auf die Knie gefallen, hahaha! Das Publikum unter dem Zeltdach geht mächtig ab und das um diese relativ frühe Zeit. Gepost wird auf der Bühne auch kräftig und mit großer Hingabe, dies aber zu Recht! Aus irgendeinem Grund sind die Securityleute ständig beschäftigt, obwohl ich keine außergewöhnlichen Szenen beobachten kann. Diese Band werde ich mir sicher mal auf Konserve anhören.

Aufgrund meiner übermäßigen Begeisterung für PAIN CONFESSOR vergesse ich tatsächlich auf APRIL, die ich ebenso nicht kenne – tja....

Der Ansager kündigt für die Hauptbühne DIABLO an. Au weia, der gute Mann klang gestern doch noch ganz anders, hehe. Hatte wohl auch zu lange gefeiert. Meine Geschmacksnerven spielen übrigens auch verrückt nach diesem (im Nachhinein) grausigen Salmiakki Zeug. Bah. Wasser schmeckt wie saures Gemüse, Buttermilch schmeckt abscheulich und Obst schmeckt wie wenn es gärte, und überhaupt frage ich mich wieso ich denn bitte Lakritze in flüssiger Form zu mir genommen habe!?
Nun aber zu DIABLO. Auf diese Band bin ich ziemlich gespannt, denn ihre Alben zählen zu meinen Lieblings-CDs, gehören schon jetzt zu meinen ewigen Klassikern. Ob sie live auch gut rüber kommen? Gleich als ersten Song spielen sie Shadow World, den ersten Track auf der letzten CD Mimic47. Nun, ganz so mitreißend ist der Beginn nicht, schwächelt ein wenig, obwohl der Song an sich gut ist. Danach kommt ein Stück vom Renaissance Album: Icon Of Flesh. Langsam wird man besser. Read My Scars vom Album Eternium schließt gleich daran an. Das Stück scheint live recht gut zu wirken, animiert die Leute zum Mitsingen; das Band-Publikum Verhältnis wird besser. Damien – jetzt geht’s wohl richtig los! Eine Flasche fliegt für meinen Geschmack zu dicht an meiner Nase vorbei, trifft dann auch noch eine Person neben mir. Na aber hallo! Das ist der erste unnötige Zwischenfall beim Tuska Festival 2006, den ich beobachten kann. Es folgt Rebellion Of One, ein weiterer Song des letzten Albums, der die Stimmung weiter hebt. Danach rocken alle zu In Sorrow We Trust. Ein Blick um mich zeigt mir, dass der Platz sehr gut gefüllt ist, sogar die Seitenbereiche und der Bereich hinter der Technik sind belegt. Es scheint ein anstrengender Tag zu werden – kein Wunder, der Samstag ist eben der Haupttag. Inzwischen bangen Band und Publikum zu Condition Red, The Preacher, Mimic47, aufgelockert von Sprechchören, die von Sänger Rainer Nygård moderiert werden: Perkele!

Das ist übrigens das wichtigste Wort während des gesamten Festivals: beinahe keine finnische Band, die keine Perkele!-Sprechchöre anleiert. Na dann: perkele!
Langsam verkrümeln sich etliche Grüppchen in Richtung Sue Stage, um einen guten Platz für eine der beiden nächsten Bands zu sichern: NORTHER. Ich bleibe und höre mir Queen Of Entity an. Symbol Of Eternity und D.O.A. bringen das Publikum wieder dazu, mitzusingen und dem insgesamt guten Auftritt einen schönen Abschluss zu verleihen.
Die Sonne sticht derzeit wie blöd, es ist temperaturmäßig ziemlich unangenehm geworden – zum Glück wird immer wieder Wasser in die Menge gespritzt, das kühlt ab. Danke.
D.O.A. klingt live extrem klasse. Vielleicht liegt das daran, dass Nygård es etwas höher singt als auf CD und dadurch etwas dramatischer klingt. DIABLO steigern sich während des Sets ständig und sind ab dem zweiten Drittel so richtig gut drauf. Dazwischen gibt es immer wieder kurze TV- oder Film-Sequenzen als Intros, die nicht alle auf CD zu hören sind. Insgesamt bin ich vollstens zufrieden mit ihrem Auftritt :-)

So, ich brauche Pause. Wasser muss her. Und Schatten. Die flüssige Lakritze macht mir immer noch zu schaffen, haha! Während NORTHER auf der Sue Stage und THE SCOURGER auf der Inferno Stage ihr Können zeigen, setze ich mal eine Runde aus, sorry. Schließlich will ich fit für einen weiteren Höhepunkt sein: AMORPHIS! Pünktlich um 17:00 legen sie los.
Während des Sets wird immer wieder Wasser in die Menge gespritzt – eine Wohltat, ich sag's euch! Dieses Mal verhunzt der gute Tomi den Song Alone auch nicht, wie zuletzt in Wien – ich bin begeistert. Ernsthaft. Eine solide gute Show, die Songauswahl stellt wieder einen kleinen Querschnitt durch fast alle Schaffensperioden dar (obwohl wieder nix vom Album Far From The Sun gebracht wurde. Mich würde interessieren, ob sie das Album selbst „verschweigen“ wollen oder ob sie sich einfach nach den Fans richten, die zu 99% aus irgendeinem Grund alle dieses Album verabscheuen. Ich find's gar nicht sooo übel.).
Nun gut, zurück zum Festival und zum Auftritt AMORPHIS. Man merkt, dass sie lange genug Live-Erfahrung haben. Trotz der grellen Sonne im Gesicht, die nicht unbedingt zu entspannten Gesichtszügen beiträgt, ziehen sie ihren Auftritt souverän und trotzdem mitreißend durch, wissen genau wann sie wie improvisieren können und sollen, damit die Songs nicht bloß runtergespielt klingen, aber auch nicht zu weit von der Konserve entfernt sind.

Da mich METSATÖLL nicht sonderlich interessieren, widme ich mich den Schweden NINE auf der Inferno Bühne. Diese spielen irgendetwas punkig Hardcore-artiges und bringen entsprechendes Gehabe mit, wirken wie eine Schülercombo. Seltsam. Das ganze ist eher eine Screamo-Angelegenheit und wenig rhythmisch eingängig – und wird nach dem fünften Song nicht besser. Vielleicht sollte ich mich doch zu METSATÖLL begeben? Ich entscheide mich für einen Kompromiss und setzte mich auf die Wiese hinter der Sue Stage; so habe ich METSATÖLL im Ohr. Diese finde ich nicht besonders herausragend, klingt für mich nach Polka-Blackmetal. Kaffee!!

Nächster Termin: OPETH auf der Hauptbühne. Ach du Schande! Das gesamte Areal ist KOMPLETT VOLL. Die Leute stehen sogar bis fast zu den beiden kleinen Bühnen und bis weit hinter der Technik! So einen Hype hätte ich nun doch nicht vermutet. Dass OPETH groß angesagt sind, ist offenkundig, aber dass das Interesse solche Ausmaße annimmt, überrascht mich nun doch. Ich starte gar nicht erst den Versuch, ein Stück näher an die Bühne zu kommen um ein brauchbares Foto zu machen – es hätte keinen Sinn. Ähnlich wie bei Anathema, wirken OPETH bei immer noch voller Sonneneinstrahlung und dem Kerzenschein-Banner leicht deplatziert... entsprechende OPETH-Stimmung kommt nur in den vordersten Fanreihen auf. Zwischendurch versucht Herr Åkerfeldt immer wieder das Publikum bei Laune zu halten. Insgesamt finde ich die Vorstellung bei diesen Witterungs- und Lichtverhältnissen etwas zäh, was mir verschiedene Festivalbesucher bestätigen. Im dunklen, kleineren Venues wirken sie jedenfalls besser.

So, nun aber ist es soweit. Ein Auftritt, auf den ich mich besonders freue, steht an, und ich werde den Damen und Herren von EPICA leider keine einzige Minute Aufmerksamkeit schenken können, denn dazu sind mir KALMAH auf der Inferno Bühne viel zu wichtig :-) Erste Antti-Rufe werden laut (der Typ heißt so, das sind keine Buh-Rufe), das Sternenzelt ist bereits von recht vielen Fans in Beschlag genommen; die Band wird eingeklatscht und herbeigerufen. KALMAH starten gleich mal mit Vollgas: Bitter Metallic Side. Innerhalb der ersten Minuten bildet sich ein Moshpit, der leider recht bald aufgelöst wird. Die Security kommt mal wieder so richtig zum Einsatz. Ein junger Fan wird gleich „abgeführt“. Das wahnsinnige Lächeln auf seinem Antlitz jedoch verrät, dass er jede Sekunde genossen hat und dass er wiederkehren wird, hehe. Weiter geht’s! Rasant und druckvoll, trotzdem sauber gespielt, voller Band-Einsatz und zwar von jedem einzelnen Mitglied! Pekka Kokko kreischt und gröhlt was das Zeug hält ohne auch nur ein einziges Mal zu schwächeln. Selbiges gilt für seinen Bruder an der Gitarre, der sogar mich als Nicht-Gitarristen in der Tat auch live beeindruckt: das ist nicht bloß Gefrickel, sondern Freude am Spielen. Fantastisch. Janne Kusmin haut sich naturgemäß ebenfalls ins Zeug und der Mann am Keyboard scheint überhaupt nur noch aus einem einzigen rotierenden Haarschopf zu bestehen. Der Basssound ist spitze! Die Songs erweisen sich alle als äußerst live-tauglich, ganz besonders die Stücke des letzten Albums The Black Waltz. Aber auch Songs des ersten Albums kommen besonders gut rüber, wie z.B. Heritance Of Berija eindrucksvoll beweist.

Den Abschluss des 2. Festivaltages machen VENOM, die alten Poser-Recken (ahem...) Nun, mich interessieren sie nicht wirklich. Huch, da fangen sie schon an! Aua, Pyro-Knalleffekt und Rückkopplung – das vertrag ich nicht. Man hört nur Schlagzeug und ein wenig Bass – Stimme und Gitarren überhaupt nicht. Da war wohl der Leibhaftige am Werk? Nach dem zweiten „Song“ funktioniert dann alles wieder. - Ich gehe trotzdem zum Hotel, um später ins Gloria zu marschieren, um mir die geballte Ladung folgener Bands zu geben: INSOMNIUM, KIUAS, ENTER MY SILENCE, OMNIUM GATHERUM. Diesmal ohne Salmiakki Intermezzo ;-)

SONNTAG 2. Juli

Der letzte Festivaltag bricht an, eine frische Brise weht durchs Inferno-Zelt, die Band VERJNUARMU hat bereits zu spielen begonnen. Und wieder ist mehr los als ich erwartet hätte. Die Anhängerschaft ist bereits jetzt in vollem Einsatz, das nenne ich Support! Ein paar Stücke sind mir geläufig, andere überhaupt nicht. Die Band hat sich brav geschminkt und verkleidet und zieht ihr Programm sehr zufriedenstellend durch. Applaus & perkele.

Parallel zu VERJNUARMU spielen MENDEED aus Großbritannien auf der Sue Stage ihre punkig angehauchte Metalcore Variation mit entsprechend viel Screamo-Feeling, Posen und Dramatik. Ich grinse nur noch und vertiefe mich in meine Notizen... Bei dieser Band bin ich mir nicht sicher ob ich das mag was ich höre oder doch nicht. Übel find ich die Vorstellung nicht, aber der Funke will auch nicht so recht überspringen. Der Trommler von MENDEED verdient jedenfalls eine extra Erwähnung, denn die Rhythmusmuster sind in der Tat interessant zu verfolgen und außerdem passt der Kick perfekt.

Danach kommt eine alte Haudegen Band auf der Hauptbühne zum Zug: SODOM. Da ich Old-School-Thrashmetal nicht sonderlich zugeneigt bin und die Band zudem viel zu oft in letzter Zeit gesehen habe, quäle ich mich nicht, sondern setze mich in ein verbleibendes Stückchen Grün hinter die Sue Stage. Nach einer Runde Dösen bewege ich mich wieder in Richtung Inferno Bühne, wo in Kürze SWALLOW THE SUN auftreten werden. Auch diese Band zählt zu jenen, die ich unbedingt mal gesehen haben wollte. SODOM nerven noch mal für 2 Zugaben, wobei eine davon eine Version von Ace Of Spades ist... Der Platz hat sich schon mächtig gelichtet, die Seiten sind absolut frei. Der Abschlussapplaus des verbliebenen Publikums fällt auch eher mäßig aus – von Hysterie oder Frenetik keine Spur. Richtig Freude hatten wohl nur die treuesten Fans ganz vorne an der Bühne.

Unser netter Ansager ist komplett von der stimmlichen Rolle. Er ist nicht nur heiser sondern hat nahezu überhaupt keine Stimme mehr. Was sich vermutlich bis zum nächsten Tuska auch nicht mehr ändern wird :D Oh Mann, die Knoten an seinen Stimmbändern will ich nicht haben.

SWALLOW THE SUN beginnen mit exzellentem Sound: klar, druckvoll, trotzdem nicht wummernd. Die Sonne hat sich hinter einer dünnen Wolkendecke versteckt, sodass auch die Atmosphäre – ohnehin dadurch begünstigt, dass der Auftritt unter einem Dach statt findet und nicht mit der direkten Sonne im Gesicht auf offener Bühne (wie bei Anathema und Opeth) – entsprechend gedämpft wirkt mit einem Touch Schwere und Dramatik. Die gleitenden, mächtigen, sehr doomigen Stücke wirken auf das Fanpublikum beinahe hypnotisierend. Massen haben sich bei der Inferno Bühne nicht gerade eingefunden – das Zelt ist locker aber doch gefüllt. Bass und Schlagzeug finde ich bewundernswert gespielt, weil sie tatsächlich so gut wie keinen Taktfehler machen – und dies das ganze Set hindurch, bei getragenem Tempo, das irgendwo zwischen langsam und noch langsamer liegt. Zuletzt spielen SWALLOW THE SUN doch noch eine Nummer in mittlerem Tempo. Eine sehr schöne Vorstellung insgesamt, ich bin keinesfalls enttäuscht.

Allgemeines, kurioses Detail am Rande: Die Finnen rufen selbst bei finnischen Bands "We want more!" wenn sie eine Zugabe wünschen. Ein einfaches "Lisää!" klingt wohl nicht fordernd genug ;-)

GOJIRA habe ich zugunsten SWALLOW THE SUN sausen lassen. Man kann nicht alles haben.

Als nächstes stehen TAROT auf dem Programm, und zwar auf der Hauptbühne. Irgendwo zwischen Heavy Rock und Powermetal, wissen sie, wie sie ihre doch beachtliche Gruppe an Fans bzw. geneigten Zuhörern zu unterhalten haben. Der Sänger läuft offensichtlich unbeeindruckt von der Hitze auf und ab, post sich richtig freudestrahlend (!) einen weg, und auch die übrige Mannschaft ist recht mobil. Mitunter wird das Publikum mit Zwischenansagen unterhalten – mal wieder Perkele - und auch die Kirchenvertreter vor dem Eingang kommen nicht ungeschoren davon – man widmet ihnen sogar ein Lied. Solide Show mit viel Bewegung und Routine. Trotzdem wirken TAROT nicht aufgesetzt und verkrampft bemüht sondern nehmen es locker und laden zum Schluss sogar noch zu einer Runde Posen ein, damit jeder sein eigenes Foto schießen kann :D Ich mag diesen Humor.

Das Festival nähert sich seinem Ende – für mich stehen nur noch BURST bzw. TIMO RAUTIAINEN an. Auf CELTIC FROST werde ich verzichten, da sie mich nicht besonders interessieren und ich auch an einem ziemlich großen Schlafdefizit leide. BURST aus Schweden sind auf den Emo-Metalcore-Zug aufgesprungen und hopsen entsprechend melodramatisch auf der Bühne umher. Schon wieder so eine Combo im "Schüler/College-Look" mit Screamo-Vocalisten. Die Musik finde ich nicht gerade spannend, wenn sie auch recht gut gespielt wird. Ein kreischender weiblicher Fan hält zumindest die Band bei Laune. Die Bühnenshow finde ich übertrieben emotional und nervig, was aber auch an meinem immer größer werdenden Wunsch nach Schlaf liegen mag, dass ich so unleidlich geworden bin :D Der Trommler hingegen scheint was drauf zu haben. Diese Kombination (nerviger Sänger, guter Trommler) scheint wohl die Regel zu sein bei Bands dieser Richtung...

Ein kurzer Abstecher noch zu TIMO RAUTIAINEN auf der Sue Stage. Netter Hardrock, aber nichts was mich in diesem Zustand noch großartig begeistern könnte. Ich bin fertig.

Ein paar kleine Kinder tummeln sich um das Inferno Zelt, mit Minishirts von Viikate und Slayer :D einer der Kleinen post so richtig mit Getränkeflasche-Luftgitarre und vollster Hingabe, Mimik und Gestik (!) zu BURST. Aus dem wird noch mal ein richtiger Fronter, hihi!

Sehr gute Fotos des gesamten Festivals gibt es z.B. unter dieser Adresse:
http://rajakatu.ath.cx/gallery/Tuska2006
Vielen Dank an Anssi – horns up! :-)

Und danke an José Carlos Santos aus Portugal, der uns seine Fotogalerie ebenfalls zur Verfügung stellt :)

Und natürlich findet ihr auch auf den diversen Band-Homepages jede Menge Festivalfotos!

 

story © Dusk