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Es gibt sicher für jeden Musikliebhaber eine Handvoll an Bands, die von der ersten Sekunde an einen besonderen Platz im Herzen innehaben. LUNARSEA gehören für mich zu diesen Herzensangelegenheiten: das Debüt Hydrodynamic Wave schlug gewaltig ein, das zweite Werk Route Code Selector zementierte den formidablen Ruf, bevor der neueste Streich Hundred Light Years mich vollkommen in den Bann schlug. Folglich war es mir eine Ehre, Gitarrist Fabiano Romagnoli mit ein paar Fragen zu bombardieren.

Leo: Guten Abend Fabiano! Ich schätze euer letztes Werk Hundred Light Years sehr aufgrund der frischen und unkonventionellen Interpretation von melodischem Death Metal. Wie würdest du die Besonderheit deiner Band beschreiben?
Fabiano Romagnoli:
Hi Leo, vielen Dank für die Möglichkeit dieses Interviews mit dem Nocturnal Hall Webzine. Tja, ich bin mit Progressive Metal und Power Metal aufgewachsen, aber auch mit Gitarrenhelden wie Steve Vai, John Petrucci, Vinnie Moore und Patrick Rondat. Grundsätzlich bin ich also von diesen Bands und Musikern beeinflußt, wenn ich neue Songs für LUNARSEA schreibe. Deshalb brauchen unsere Alben auch mehrere Durchläufe bevor sie ins Herz geschlossen werden. Wir sind keine Band, die du einmal hörst und sofort sagst: „Das ist großartig.“ Wahrscheinlich bekommt unsere Musik sogar die gegenteilige Antwort. Wir mögen die Mixtur von Riffs, Melodie und verschiedenen Elementen, sodaß wir wissen, daß es schwierig ist, beim ersten Mal verstanden zu werden. Wir denken aber ebenso, daß unser Album über die Jahre in der ersten Reihe stehen könnte, weil bestimmte Elemente darin vorkommen und du keine Langweile verspürst, wenn du die Songs über einen längeren Zeitraum hörst.

Leo: Graben wir mal ein bißchen tiefer und gehen genauer auf Hundred Light Years ein. Ianus scheint ein ganz besonderes Stück zu sein, ich mag die Spiegelschrift im Booklet, was auf eine große Bedeutung des optischen Aspekts hinweist.
Fabiano:
Genau, Texte und Musik sind gleich wichtig. Cristian Antolini, unser Bassist, ist der Verantwortliche für die gesamten Texte und das Konzept. Hundred Light Years bietet großartige Texte, ich hoffe dass die Leute sich für die Texte Zeit nehmen, nicht nur für die Musik.

Leo: Abgesehen von sehr schnellen Sequenzen, schätze ich die epischen Anklänge der Komposition As Seaweed. Die vielschichtigen Vocals passen perfekt und der Hörer kann einige Wendungen erwarten. Wie viele Musiker arbeiten denn an diesem komplizierten Aufbau?
Fabiano:
Wir wählen unsere Gäste aus, weil wir ihre Arbeitsweise kennen; wenn ein Stück fertig ist, wir geben den Song in die Hand des jeweiligen Gastmusikers und sagen ihm detailliert, was wir gerne integrieren würden wie etwa ein Piano, eine Violine etc. Somit ist die Sache gegessen, denn gute Musiker wissen, wie man einem Song die richtige Stimmung verleiht, ohne ihn tausendmal aufnehmen zu müssen.

Leo: Euer variabler Sound könnte die „You-Tube-Generation“ überfordern – glaubst du daß die Musik zu lange zur Entfaltung braucht?
Fabiano:
Das denke ich nicht. Wir sind eine Underground-Band, und nach drei Alben und zehn Jahren Aktivität hat sich das nicht geändert. Unsere Songs sind keine leichte Kost – wir wissen das – aber wir mögen diesen Stil und wir werden das niemals ändern. Wir werden keinen Single-Hit für ein Album komponieren, wenn es passiert, dann passiert es, wenn nicht, dann macht es auch nichts.

Leo: Ihr habt spezielle Gäste für das Album engagiert. Wie kam es zu der Zusammenarbeit?
Fabiano:
Auf Hundred Light Years sind einige Gäste zu hören: Martin Minor (ein deutscher Produzent), Emanuele Casali (DGM-Astra), Tim Charles (Ne Obliviscaris) und Michael Shulmann (ein israelischer Geiger). Letzter hat ein alternatives Geigensolo für Aphelion Point aufgenommen, das evtl. für den japanischen Markt veröffentlicht wird. Sehr bekannte Namen haben wir also nicht gewählt, nur gute Musiker aus dem Underground. Es war eigentlich ziemlich einfach, diese Leute zu erreichen, aber wir sind keine Band die mehr Aufmerksamkeit erregen will, weil dieser oder jener Musiker auf unserem Album spielt.

Leo: Die Gitarrenarbeit sticht auf allen drei Alben hervor und euer Drummer spielt in jedem Lied einige unterschiedliche Tempi – für euch ist es einfach zu langweilig, direkt und geradeaus zu spielen, oder?
Fabiano:
Richtig, Leo. Ich mag keine Power-Chords…nach ein paar Sekunden eines Riffs wird es mir bald mal langweilig, wir brauchen immer ein paar seltsame Ideen, um sie einzubauen, und es passiert dann auch so. Wenn du also Gitarristen magst, wirst du auch die Gitarrenarbeit auf unseren Alben mögen. Auf Hydrodynamic Wave habe ich alle Gitarren eingespielt, für Route Code Selector verpflichteten wir Emiliano Pacioni als zweiten Gitarristen. Bezüglich des Drummers wirst du wahrscheinlich auf jedem Album einen Unterschied festgestellt haben, weil wir eben immer verschiedene Drummer hatten :) Wahrscheinlich werden wir beim nächsten Werk ein bißchen langsamer spielen, wir haben auf HLY ein bißchen zu viel Gas gegeben.

Leo: Welche Musiker haben dich am meisten inspiriert?
Fabiano:
Zu allererst nenne ich hier Steve Vai! Und John Petrucci, Vinnie Moore, Patrick Rondat, Joe Satriani. Ich habe 2001 sogar ein reines Instrumentalalbum aufgenommen und hoffe, in der Zukunft noch einmal solch ein Album zu machen.

Leo: Ich nehme an, daß du einige Songs auf dem Album bevorzugst; welche hörst du am liebsten und welche sind deine Konzert-Favoriten?
Fabiano:
Mein Favorit auf HLY nennt sich Ephemeris 1679. Nach der Aufnahme mochte ich ihn nicht besonders, weswegen er auch der letzte auf dem Album ist. Nach ein paar Durchläufen liebe ich ihn aber! Ständig läuft er in meinem iPod. Gleiches gilt für Next And Future. Aber live, da finde ich 3 Pieces Of Mosaic, Ianus and Sonic Depth Finder am besten. Schnelle Songs, die nicht zu schwer zu spielen sind und ein gutes Gefühl auf der Bühne verbreiten.

Leo: Wie sieht es für melodischen Death Metal in Italien derzeit aus?
Fabiano:
In Italien gibt es keine Szene für melodischen Death Metal. Das ist ziemlich seltsam, da wir eine Land der melodischen Musik sind, also müßten wir auch bevorzugt melodischen Metal spielen und hören, oder? Am besten zieht derzeit Brutal Grind. Heutzutage allerdings, vor 10 Jahren war das anders, da war’s Power und Progressive Metal. Schauen wir mal, was die Zukunft bringt.

Leo: Spielt ihr denn viele Konzerte? Wie einfach/schwer ist es, in Italien aufzutreten?
Fabiano:
Das ist eine harte Nuß! Nein, wirklich nicht, wir bekommen tausende Probleme, wenn wir live spielen wollen. Ich weiß nicht warum, doch es ist sehr schwierig live zu spielen, seien es kleine Konzerte oder als Support für größere Bands. Organisatoren kümmern sich einen Dreck darum, ob du 10 Jahre aktiv bist und schon drei Alben draußen hast. Wir gehen nicht her und biedern uns an, wir kontaktieren die Veranstalter, sagen ihnen wer wir sind und daß wir spielen wollen, was wir bis jetzt geschafft haben, ob Interesse an Kontakt besteht. Wir haben doch schon ein paar Konzerte gespielt und Bands wie Dark Tranquillity, Sinister, Darkane, Impaled Nazarene, Rage, Orphaned Land, Obscura, Leave’s Eyes etc. unterstützt.

Leo: Gibt es dieses Jahr die Chance, euch irgendwo live zu sehen?
Fabiano:
Im Moment nicht. Wir spielen im September in Rom als Support von Belphegor und es gibt eine Release-Party für HLY in Florenz Ende September, zusammen mit Stormlord. Wir werden sehen ob wir im neuen Jahr etwas arrangieren können.

Leo: Wie siehst du das Internet als Medium, verkauft ihr mehr CDs oder schon Downloads?
Fabiano:
Wir haben schon einige Alben verkauft, ich würde sagen 50% „echte“ CDS und die anderen 50% als Download. Wahrscheinlich holen sich jüngere Fans eher den Download; diejenigen, die uns schon kennen, bevorzugen die echte Kopie. Metal ist immer noch Underground und da wollen die Leute einfach noch immer die handfeste Version.

Leo: Wo kann man CDs und Merchandise von LUNARSEA erwerben?
Fabiano:
Du kannst das Album auf unserer offiziellen Seite erstehen; lunarsea.bigcartel.com, Lunarsea.bandcamp.com oder auch auf großen Online Verteilern (iTunes, Spotify, Amazon mp3, Google Play etc. etc.)

Leo: LUNARSEA existieren seit zehn Jahren. Weißt du noch, was damals den Ausschlag gab, eine Death Metal Band zu gründen? Werdet ihr das Jubiläum speziell feiern?
Fabiano:
2003 war ich zusammen mit unserem Bassisten Cristian in einem bekannten Club in Rom und wir haben uns einfach gefragt: „ Wie wär’s, gründen wir eine Band?“ Einen Tag später waren wir mittendrin im Prozess und der erste Song unter dem Banner LUNARSEA nannte sich Evolution Plan.txt. Dieser blieb bis heute einer meiner Favoriten, Wir werden sehen, was wir zum Jubiläum auf die Beine stellen, in der Zwischenzeit planen wir bis zum Jahresende ein paar Shows.

Leo: Riskieren wir einen Blick in die Zukunft – wie soll die Welt für LUNARSEA in zehn Jahren aussehen?
Fabiano:
Dann werde ich ein verdammt alter Mann mit 45 Jahren sein und immer noch wie ein Teenager Gitarre spielen! Wenn LUNARSEA noch immer ein Teil unseres Lebens ist, würden wir einen anderen Stil spielen. Du weißt ja, es wird hart sein, die nächsten zehn Jahre Death Metal zu spielen. Wahrscheinlich wird es ein paar Experimente geben. Wir werden sehen…

Leo: Danke für deine Antworten und deine Zeit – ich hoffe doch, euch eines Tages live auf der Bühne zu erleben!
Fabiano:
Danke für das Interview und eure Unterstützung!

 

06/2013 © Leo Seebauer • Lunarsea